Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
Vom Netzwerk:
gegen eine Qualle und zuckte zusammen, als hätte man ihr ins Gesicht geschlagen. Dem Brennen folgte das Feuer, das alle Nervenbahnen erreichte. Alles lähmte, für einen Augenblick. Und dann folgte die Kälte, entlang der gleichen Bahnen. Und dann der Schmerz.
    Sie sank.
    Und wehrte sich.
    Und fragte sich.
    Warum tue ich das? Warum tue ich das?
    Ihr Blick traf Karlas Blick.
    Warum nicht sie?
    Weil sie nichts verbrochen hat, im Gegensatz zu dir, erwiderte eine laute, spöttische Stimme in ihrem Kopf. Weil sie nicht versagt hat. Weil sie bloß eine hübsche und vielleicht zickige Frau ist, aber keine, die ganze Völker umbringt, wie du, nur weil sie die Motive des Mannes nicht versteht, den sie bewundert. Deshalb darf sie leben. Und du nicht.
    Sie sank.
    Schnappte Luft und sank.
    Schwebte. Schwebte unter den Dingen, den Blick nach vorn gerichtet, hinter geschlossenen Lidern. Nach vorn, nach unten. Aber da war kein funkelndes Licht am Firmament, da war nur Schwarz. Schwarz. Verdammtes Schwarz.
    Und grellrotes Feuer, wie frische Lava, aus einem explodierenden Vulkan in ihr Gesicht spritzend, als die Qualle mitten in ihrem Gesicht landete. Sie riss die Hände hoch, fegte das Ding weg und spürte, wie die nächste ihre Wange traf, ein neuerlicher Feuerschlag, eine Welle, die bis hinauf in ihr Gehirn jagte und wieder hinunter bis in ihre Fingerspitzen.
    Sie wehrte sich. Trat mit den Füßen Wasser. Gegen das Gewicht an, gegen die Zentnerlast. Fühlte sich wie in einem Anzug aus Eisen, mit Armen wie Streichhölzer.
    Sterben, dachte sie. Schlafen. Aufhören zu sein.
    Zwei weitere Explosionen erschütterten ihr Nervensystem, vom Hals ausgehend die eine, von der Stirn aus die zweite. Sie riss den Mund auf, ein stummer, entsetzter Schrei. Nicht atmen. Atme jetzt nicht.
    Was sonst? Sie glaubte, bereits jenseits von allem zu sein, als ihr Fuß ihr Metall signalisierte. Metall hatte hier nichts verloren. Unter ihr war Sand. Grund. Kein Metall. Aber der Fuß blieb dabei. Da ist Metall.
    Und sie vertraute der Meldung. Ließ sich auf das Knie sinken und stieß sich ab, mit aller Kraft, die ihr verblieben war. Benutzte die Arme, schwamm durch die Dunkelheit um sie herum und die explodierende Lava in ihrem Inneren, kämpfte und schaute sich wie von ferne zu.
    Sie schrie. Nach Luft, als sie die Wasseroberfläche noch einmal durchbrach und verzweifelt nach vorn und nach links sah. Philipp. Zwanzig, dreißig Meter. Ihr eigenes Boot, mit den Geretteten, zehn Meter. Wieso nahm sie nicht das Paddel? Wieso kümmerte sie sich nur um ihre Kinder, ihre Tochter?
    Wieso ließ sie sie sterben?
    Sie sank.
    Wandte den Kopf nach rechts, ergeben in ihr Schicksal und voller Angst vor dem, was kommen würde. Jetzt und danach. Wandte den Kopf in Richtung der schwarzrostigen Wand, die vor ihr aufragte.
    Und sank.
    Sah den Gewehrlauf direkt vor sich, auf ihre Stirn gerichtet. Ein schwarzes, kaltes Auge. Dahinter zwei weitere kalte schwarze Augen in schwarzer Haut. Ein ausgemergeltes Gesicht, wütend, ein schwarzes, kantiges Kinn auf Eisen.
    Tu mir den Gefallen, dachte sie. Mach’s mir leichter.
    Drück ab.
    Und sank.
    Und sah die Welt verschwimmen, endgültig.
    Das Auge, das sich verwandelte in ein Stück Holz, ungebrochen, im Wasser direkt vor ihr. Das vom Lauf zum Schaft wurde und fast ihre Stirn traf.
    Weshalb, fragte sie sich.
    Weshalb willst du vor dem Lauf sitzen? Ist das nicht dumm, Pirat?
    Sie sank.
    Alles versank in tiefem Schwarz und brüllendem Schmerz.
    Sie tastete nach dem Schaft. Mit beiden Händen.
    Und spürte, während sie das Leben losließ, aber nicht das Letzte, was sie mit den Händen umklammert hielt, wie eine lähmende Ohnmacht sie empfing, erlösend, endgültig.

[Menü]
    58 Niemand schoss auf Leland Milett.
    Sie schubsten ihn einfach weg und ließen ihn zu Boden gehen, die Polizisten, an denen er sich vorbeizudrängeln versuchte, auf Eiseles Tür zu. Seine empörten Proteste prallten an ihnen ab, genauso wie er selbst bei seinem zweiten Versuch, nachdem er wieder auf den Beinen stand, und alles, was er zwischen diversen breiten Oberkörpern hindurch erkannte, war, dass in Eiseles Büro nichts mehr seine Ordnung hatte. Jedenfalls gehörte der große Mann mit dem Knopf im Ohr nicht rücklings auf den Boden vor dem Schreibtisch, ebenso wie die anderen Beine, die hinter dem Schreibtisch hervorragten und die Milett anhand der braunen Budapester als jene Eiseles erkannte.
    Stimmen sprachen und riefen durcheinander, immer mehr Menschen

Weitere Kostenlose Bücher