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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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Nobelpreis für Literatur. Worauf Milett einen entsetzlich dicken und praktisch unlesbaren Roman geschrieben hatte, Die Herren des Hauses, um sich direkt nach dessen Erscheinen und diversen vernichtenden Kritiken für immer von der Kunst zu verabschieden. Dazu hatte er Time ein legendäres Interview gegeben und darauf hingewiesen, Rossini habe schließlich nach seinem Barbier von Sevilla auch nur noch gekocht. Und er, Milett, wolle von nun an die Welt verändern, nur, anders als Rossini, nicht mit Trüffeln, sondern mit Politik. Er war »grün« geworden und hatte feurige Reden über die bevorstehende Öko- und Klimakatastrophe gehalten, hatte Gore getroffen, war Anfang 2000 zum Sprachrohr des IPCC avanciert und diesem bis 2007 treu geblieben. So hatte er zum zweiten Mal den Nobelpreis erhalten, als Mitglied des ausgezeichneten Klimakomitees. Aber die Rede, die angeblich erin Oslo hatte halten sollen, hielt ein anderer, nämlich IPCC -Leiter Rajendra Pachauri.
    Milett äußerte sich stattdessen an anderer Stelle, diesmal in der New York Times. Dort wies er zwar ungewohnt bescheiden den Vergleich mit Bertrand Russell zurück – denn Russell sei ein Genie gewesen, hingegen er, Milett, bloß ein hochbegabter blinder Glückspilz –, dies aber nur, um anschließend in skandalös drastischen Worten seinen IPCC -Kollegen, dem Nobelpreiskomitee und der UNO die Leviten zu lesen. Das IPCC , so Milett, sei lediglich ein Verein von mittelmäßigen Bürokraten, die fachlich komplett ahnungslose Marketingabteilung der Industrie, alle Prognosen Lügen, der Preis ein Skandal. Deshalb bedeute die Auszeichnung das Ende seiner Laufbahn, denn er wolle mit diesen »Rosstäuschern, Bauernfängern und karrieregeilen Schachfiguren« nichts mehr zu tun haben. Er fügte hinzu, die in der UNO , also auch beim IPCC tonangebenden USA seien seit dem Jahr 2000 ein faschistisches Imperium, verglich Cheney, Bush und Rumsfeld mit Hitler, Himmler und Göring und verortete Tony Blairs festen Wohnsitz im »Anus des Clowns, den man per Wahlbetrug an die Spitze einer schwer bewaffneten Bananenrepublik befördert« hatte.
    Politisch war er damit erledigt gewesen. Dennoch oder gerade deshalb hätte er eine provozierende Reizfigur auf der internationalen Bühne bleiben können, aber Milett hatte es vorgezogen, danach zu verstummen. Und zwar für immer. Gerüchten zufolge hatte er sich nach Kanada zurückgezogen, aber das wusste Mavies Vater besser. Denn nach dem Madrider Konspirologen-Kongress im Jahr 2004 war Edward Teil einer deutschen »9/11-Skeptiker«-Delegation gewesen, die Milett aufgesucht hatte, um ihn zu einem Statement zum gerade veröffentlichten, skandalös fehlerhaften Untersuchungsbericht der US -Regierung zu bewegen.
    Erfolglos, wie Edward einräumte. Aber immerhin verfügte er seither über Miletts Adresse in Cap Ferrat und die private Telefonnummer des schweigenden Weltgewissens von einst.
    »Hast du ihn erreicht?«, fragte Mavie.
    Edward zögerte einen Augenblick. »Seine Assistentin. Er ruft mich zurück.«
    »Sagt seine Assistentin?«
    »Milett ist sicherlich sehr beschäftigt.«
    »Womit? Sich zu verstecken?«
    »Er wird sich melden.«
    Mavie sah nach vorn. Der Scheibenwischer fegte energisch über die Windschutzscheibe und schlug Löcher ins strömende Wasser. Sie sah nach links, wo der digitale Tacho 200 auswies, und drückte auf den Knopf an der Seite ihres Sitzes. Langsam glitt sie in die Waagerechte und hörte ihren geschundenen Körper förmlich Danke sagen.
    »Andernfalls fahren wir umsonst da hin?«
    »Er wird sich melden«, sagte Edward. »Aber sofern du eine bessere Idee hast, einen besseren Ansprechpartner, bin ich heilfroh, wenn ihr umkehrt und hierherkommt.«
    Sie schwieg. Natürlich hatte sie keine bessere Idee. »Ruf mich an, sobald er sich gemeldet hat.«
    »Natürlich.«
    »Und pass bitte auf dich auf.«
    »Darum bitte ich dich auch.«
    »Bist du versorgt? Ich meine, hast du alles, was du brauchst?«
    »Mehr als genug. Meine Vorräte reichen für ein halbes Jahr. Und noch sind die Versorgungsketten nicht unterbrochen, außerdem ist der Hof Wörme nicht weit weg, da kaufe ich morgen noch mal ein. Das Auto ist vollgetankt, das reicht für ein paar Wochen Kurzstrecken, wenn hier alles zusammenbricht.«
    »Aber noch ist alles heil?«
    »Weitgehend«, sagte Edward. »Die Leute haben noch nicht begriffen, was auf sie zukommt. Wie sollten sie auch? Die Wettervorhersage ist nicht allzu gut, aber eben nur für ein paar weitere

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