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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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beim Hinausgehen.
    Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, ging sie vorsichtig zum Tisch, brach eines der Croissants durch und nahm einen Bissen. Sie schloss die Augen, kaute langsam und genüsslich, als hättesie noch nie ein Croissant gegessen, und schenkte sich einen Kaffee ein. Es war der beste Kaffee der Welt.
    Im Badezimmer brauchte sie einen Augenblick, um sich von ihrem Spiegelbild zu erholen. Ein großes Pflaster zierte ihre Stirn, mehrere kleinere ihr Kinn und ihren Hals. Die restlichen Schrammen und Kratzer verschorften bereits, dennoch fand sie, dass die Frau im Spiegel aussah wie ein Katzenspielzeug, das seine beste Zeit hinter sich hatte. Aber in den Tüten und Kartons, die Philipp mitgebracht hatte, fand sie nicht nur etwas zum Anziehen, sondern auch eine verblüffend kenntnisreiche Auswahl an Reparaturmaterialien: Tagescreme, Make-up, Kompaktpuder, Lidschatten, Wimperntusche, Kajal, Rouge, Lippenstift, Kamm, Haarspray. Er hatte an alles gedacht. Die beiden Velvet-T-Shirts waren schlicht, eines weiß, eines blau, die Unterwäsche und die Strümpfe von Falke, die Seven-Jeans passte wie angegossen.
    Als sie wieder aus dem Bad trat, stand er am Tisch und blätterte in der Zeitung. Er wandte sich nach ihr um und lächelte.
    »Hey, hey. Zurück von den Zombies. Du siehst aus wie neu.«
    »Woher kennst du mein Parfüm?«
    »Ich hab ’ne Nase«, sagte er.
    »Danke«, sagte sie, blieb neben ihm stehen und berührte ihn kurz am Arm.
    »De nada«, sagte er.
    Sie nahm ihre Tasse und trat an ihm vorbei ans Fenster. Sah hinaus in den dichten Regen.
    »Hat das zwischendurch aufgehört?«
    »Nein.«
    »In Hamburg auch nicht?«
    »Nein. Durchgehend. Und es wird wärmer. Draußen sind fast zwanzig Grad.«
    Die Erkenntnis traf sie plötzlich. Sie drehte sich um, etwas zu schnell für ihren Kopf und ihren Gleichgewichtssinn. »Wo ist der Stick?«
    »In meiner Tasche«, sagte er und nahm sich gelassen ein Croissant. »Keine Sorge. Das war aber auch so gut wie alles, was von dir zu retten war. Außer zwanzig Euro, deinem Ausweis und deiner Kreditkarte. Deine Klamotten wollte ich nicht in die Reinigung bringen, und dein Handy ist mal wieder im Arsch. Aber ich habdir ein neues besorgt, prepaid. Ist in deiner Jacke«, sagte er und deutete auf eine schwarze halblange Lederjacke, die am Haken neben der Tür hing.
    Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Also sagte sie noch einmal »Danke«.
    »Ja, ich find die auch gut«, sagte er. »Marc Jacobs.«
    »Wo hast du … Ich meine, wo und wann …«
    »Oh, ich hatte ausreichend Zeit. Nach jedem neuen Tropf voll Tramadol konnte man sicher sein, dass du wieder sechs Stunden keinen brauchst. Jedenfalls nicht mich Mann, höchstens ’ne Schwester. Und ich konnte ja nicht die ganze Zeit im Netz hängen, fernsehen und telefonieren.«
    Sie nickte.
    »Ich muss meinen Vater anrufen, der stirbt vor Sorge …«
    »Nein, sicher nicht. Nachdem ich ihn heute morgen geweckt habe.«
    »Was?«
    »Du hast doch gesagt, ich soll ihn anrufen.«
    »Hab ich?«
    »Ja, heute Nacht.«
    »Oh.«
    »Ich könnte den Arzt noch mal holen, wegen der Schwellung?«
    »Was hat er gesagt? Edward, nicht der Arzt, mein Kurzzeitgedächtnis funktioniert, vielen Dank.«
    Er erwiderte ihr Grinsen, aber nur kurz. »Ihr seid verwandt, eindeutig. Der Mann ist genauso irre wie du. Und mein Auftrag lautet: Beschützen Sie die Tochter des Königs, koste es, was es wolle, notfalls Ihre Nüsse.«
    »So hat er das garantiert nicht gesagt, mein Vater hat Stil.«
    »Bestimmt. Und einen an der Waffel, aber das weißt du ja selbst. Er meint aber, genau wie ich, dass du eigentlich nach Hause kommen solltest, er wohnt ja da draußen offenbar hundert Meter über Normalnull. Du kannst aber auch in meinem obersten Stock bleiben. Keine Sorge, ich baggere dich nicht an, solange du diese Kratzer im Gesicht hast.«
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wartete.
    »Okay«, seufzte er. »Edward sagt, die Lage ist noch relativ ruhig. Er ist genauso besorgt wie ich, aber er hat ja den ganzen Keller voll Doseneintopf. Und was Hannah betrifft: Die hab ich vorhin erreicht und ihr gesagt, dass sie mit Max und ihrer bekloppten Mutter abhauen soll, zu Freunden von mir nach Wiesbaden. Paar Kilometer außerhalb, keine Flüsse in der Nähe, Speisekammer gut gefüllt. Die Freunde sind im Bilde, Hannah ruft mich von unterwegs zurück.«
    »Gut.«
    »Ja«, sagte er, aber er klang nicht überzeugt.
    »Sie kommt da heil raus.«
    »Ja, sicher.« Er senkte

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