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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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Mavie noch einige Zeit später Schwierigkeiten haben sollte, die nun folgenden Geräusche in der richtigen Reihenfolge zu rekonstruieren.
    Unmittelbar nachdem die schwere Tür vom Flur aus aufgestoßen worden war, folgte das Geräusch, mit dem der Schuss sich aus dem Revolver löste, aber dieses Geräusch ging förmlich unter im donnernden Aufschlag der Eichentür an der Wand. Undunmittelbar nach diesem Donnern sah Mavie fast gleichzeitig die schlanke, dunkelhaarige Schönheit im Cocktailkleid, die die Tür aufgestoßen hatte, sowie das Loch in der ledernen Sofalehne zwanzig Zentimeter neben ihren eigenen Knien und der leicht dampfenden Mündung des Revolvers.
    Aber vielleicht hatte sie das Loch auch erst ein paar Sekunden später bemerkt, denn die Frau im Cocktailkleid begann schon zu brüllen, bevor die von ihr aufgestoßene Tür auch nur die Wand erreicht hatte. Zwischen Auffliegen der Tür, Revolverknall und dem Knall, mit dem die Tür die Wand traf, lag jedenfalls ein vernehmliches, empörtes und sehr betrunken klingendes »Leeee!«, das im Nachhall von Tür und Schuss in ein unbeeindruckt vorwurfsvolles »Lannnd!« überging.
    Die Dunkelhaarige stand schwankend im Türrahmen, ein Cocktailglas in der Hand, mit von der Schulter gerutschtem Träger, und fuhr die linke Hand und einen ausgestreckten Zeigefinger in Miletts ungefähre Richtung aus. Schon diese vergleichsweise simple Übung schien sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, und als sie mit einer linkischen Armbewegung den Träger des Kleides wieder in Position zu bringen versuchte, entblößte sie versehentlich eine sehr schöne Brust, aber das schien sie nicht im Geringsten zu interessieren, da sie offensichtlich, von gerechter Empörung befeuert, eingedrungen war und Bedeutendes zu verkünden hatte.
    Was genau das war, verstand Mavie nicht, aber dem ersten langen Satz der Schönen entnahm sie immerhin die Worte malpoli, indignée, Gentleman, contraire und l’ennui. Der Rest schien irgendwie dazwischen zu gehören, aber niemand machte sich die Mühe, »Wie bitte?« zu sagen.
    Milett war aufgestanden und ging direkt an Mavie, deren Revolver und der durchschossenen Sofalehne vorbei auf die Schöne zu.
    Mavie sah fassungslos, dass er lächelte.
    Er streckte die Arme aus, erreichte die Schöne, hielt sie an beiden nackten Schultern, stabilisierte sie und sah ihr tief und gütig in die Augen. »Helena, ma belle, je reviens tout de suite chez vous.«
    Sie stampfte zwar nicht mit dem Fuß auf, aber sie klang wie ein bockiges Kind. Wieder verstand Mavie nur die Hälfte von dem,was sie sagte, aber was sie hörte, wollte sie nicht hören. Hatte sie das richtig verstanden? Die Mädchen hatten keine Lust mehr, miteinander zu spielen, das sei jetzt irgendwie langsam mal langweilig, da müsse jetzt mal ein Mann dazu, und das sei ja wohl er, oder wieso hatte er sie und Nina und Denise herbestellt, zum Fernsehen?
    Milett versicherte der Schönen, er werde gleich bei ihr und ihren Freundinnen sein, sie zog einen Flunsch, und in diesem Augenblick tauchte Theo vom Flur aus auf, mit entsetztem Blick.
    »Sir! Ich bitte um Vergebung, ich …«
    »Es ist gut, Theo«, unterbrach Milett ihn nachsichtig. »Alles ist gut. Bringen Sie doch bitte Mademoiselle Helena zurück in den Salon.«
    »Je m’emmerde«, maulte Helena.
    »Je reviens dans un petit instant«, sagte Milett.
    »Prommettsss!«
    »Promis«, sagte Milett und fügte, an Theo gewandt hinzu: »Und bringen Sie mir doch bitte meinen Laptop.«
    Theo nahm Helena sanft beim Arm und bugsierte sie vorsichtig Richtung Flur. Die Schöne sah über ihre nackte Schulter zurück zu Milett, lächelte, ließ die Wimpern kokett klimpern und fuhr sich im Hinausstaksen mit der Linken von unten her über die Außenseite des Oberschenkels, bis hinauf zur Hüfte. Den dünnen Stoff ihres Cocktailkleides nahm sie dabei wie versehentlich mit, und Mavie konstatierte, dass Helena nicht nur wunderbare Brüste hatte, sondern auch einen wunderbaren Po.
    Milett schloss die Tür. Sanft.
    Mavie betrachtete das Loch in der Sofalehne. Es war kein großes Loch. Aber sie wagte es nicht, sich über die Lehne zu beugen und nachzusehen, ob das Projektil beim Austreten ein größeres Loch gerissen hatte. Vermutlich. Sofern es überhaupt ausgetreten war.
    Ihre Hand, die die Pistole auf den Knien hielt, begann zu zittern. Als wäre erst jetzt im Nervensystem angekommen, was geschehen war. Und das Zittern pflanzte sich rasch fort, fand schnelle Bahnen in Richtung

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