Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
Vom Netzwerk:
alle leben auf Kosten der restlichen Welt. Und wir sind finster entschlossen, unsere Position zu verteidigen.« Er lächelte. »Dagegen spricht nichts. Wir alle sind Egoisten. Kein Afrikaner verhielte sich anders, säße er hier, wo wir sitzen. Aber es mangelt uns an Aufrichtigkeit. An der klaren, lauten und öffentlichen Aussage: Ja, wir wollen so weiterleben. Genau so. Nein, wir wollen nicht zurückstecken. Nicht teilen. Keine Gerechtigkeit. Wir wollen jeder ein Auto, alle drei Tage Fleisch auf dem Teller, billiges Fleisch, soziale Sicherheit, Geld, auch wenn wir keine Arbeit haben, fließend Wasser in jeder Wohnung, Fußbodenheizungen und keinen Eimer unter dem Donnerbalken auf dem Hof, sondern Porzellan im Bad, DVD s und Plastiktüten, um sie nachHause zu tragen, weiße Sklaven in jedem Raum. Sklaven, die wir Steckdosen nennen. Medikamente. Krankenhäuser. Ärzte. Renten und Pensionen für die sagenhaften durchschnittlich fast fünfzig Jahre unseres Lebens, die wir nicht mit Erwerbstätigkeit zubringen. Zwanzig Jahre bis zum Ende der Ausbildung, dreißig Jahre vom frühen Rentenbeginn bis zu unserem Tod mit neunzig. Man muss kein Mathematikgenie sein, um zu verstehen, dass das nicht geht – beziehungsweise nur auf Kosten anderer. Unser Wohlstand hängt von unserer unerbittlichen Ausbeutung anderer ab, davon, dass sie auf jeden Entwicklungshilfedollar Zinsen zahlen, und das bis zum Jüngsten Tag. Deshalb müsste Gore sagen: Die unbequeme Wahrheit ist, dass wir alle sieben Sekunden ein Kind verhungern lassen, damit unsere Sozialhilfeempfänger weiterhin in Porzellan scheißen können. Und dass achtzig bis hundert Millionen Menschen jährlich an den Folgen unseres Tuns beziehungsweise Unterlassens sterben. Wir könnten das verhindern, aber es hätte einen hohen Preis: den Verlust unseres Wohlstandes, unserer Art zu leben. Wir wollen eine bessere Welt, natürlich, aber nur, solange das nicht bedeutet, dass unsere Welt schlechter wird. Hier liegt der Kern unserer Verlogenheit. Und wir entscheiden uns, das zu ignorieren, denn wir möchten uns selbst für anständige Menschen halten. Dabei sind wir Schurken. Mörder, Folterer, Teufel, wir alle. Und nichts ist widerwärtiger als ein kaltblütiger Mörder, der sich als Gutmensch geriert. Das sind wir.«
    Er trank einen Schluck Whisky, endlich. Aber er war noch immer nicht fertig.
    »Ich bin nicht frei von Sünde«, fuhr er fort, »im Gegenteil. Aber ich stehe zu meiner Schuld. Ich schätze mein bescheidenes Haus, alle vierzehn Zimmer, alle Bäder, erst recht den Garten; ich schätze meinen Lagavulin, ich schätze meine Sicherheit. Oh, ich wusste auch den Fahrdienst des IPCC zu schätzen. Mercedes. Und das Chateaubriand. Sobald die Herren sich endlich hinstellen und sagen: Ja, wir stehen dazu, wir bringen afrikanische Kinder um, überfallen Länder wegen ihrer Ölvorkommen und verhindern den Aufstieg Chinas notfalls mit nuklearer Gewalt – fein. In dem Fall bin ich bereit, mich wieder zu engagieren. Haben Sie diesbezüglich etwas anzubieten?«
    Er schwieg. Und trank. Und lächelte Mavie an.
    »Starke Worte«, sagte sie.
    »Danke«, sagte er. »Soll ich Sie zur Tür bringen lassen?«
    »Gleich«, sagte sie. »Mein einziges Problem ist, dass ich Ihnen nicht glaube.«
    »Oh«, sagte Milett, mäßig interessiert.
    »Ich glaube Ihnen, dass Sie Ihr Haus und Ihren Whisky mögen. Ich glaube Ihnen sogar, dass Sie ein ehrlicher Teufel sind. Aber ich glaube Ihnen nicht, dass Ihnen das gefällt.«
    Milett legte den Kopf schräg, weiterhin mäßig interessiert.
    »Korrigieren Sie mich«, sagte Mavie. »Sie haben damals nicht beim IPCC aufgehört, weil Sie an den anderen Teufeln nur deren Unaufrichtigkeit gestört hat. Es gibt nämlich durchaus Unterschiede zwischen den reichen und den armen Teufeln.«
    Diesmal schenkte Milett ihr ein Lächeln, für einen Sekundenbruchteil.
    »Und auch wenn Sie die Welt nicht retten können oder wollen, weil Sie ja nun mal ein Teufel sind, wenn auch ein ehrlicher, waren Sie früher ja durchaus der Ansicht, dass die allerreichsten Teufel den allerärmsten etwas abgeben sollten. Wir reden hier ja nicht über einen Flug nach Mallorca oder eine Acht-Euro-DVD oder Ihr kleines Anwesen, wir reden über ein paar Billionen Dollar, die sich in den Händen einiger weniger Menschen befinden. Wir reden über die Herren der Welt. Die Oberteufel, um in Ihrem Bild zu bleiben.«
    Milett lächelte. Und schenkte sich und Philipp einen weiteren Whisky ein. Mavies Glas

Weitere Kostenlose Bücher