Prost Mathilda - von Wolke sieben ab in den Vollrausch
und näherte sich leise Connis Schlafzimmertür. Sie hielt den Atem an und lauschte. Aber hinter der Tür war alles ruhig. Kurz überlegte sie, ob sie anklopfen oder die Tür einfach öffnen und nachschauen sollte, ob Conni da war und schlief, aber dann verwarf sie den Gedanken schnell wieder, weil ihr das Risiko, sie zu wecken, einfach zu groß war.
Aus Merles Zimmer kam auch kein Laut. Sicher war sie bei einer Freundin. Oder einem Freund? In letzter Zeit hatte sie auffallend oft von einem Yannick gesprochen.
Vielleicht war sie aber auch schon zu Dad gezogen, wie sie es angekündigt hatte.
Mathilda seufzte tief und ging schließlich zurück in die Küche. Sie nahm sich ein Glas aus dem Regal, öffnete den Kühlschrank und suchte nach einer Flasche Mineralwasser.
Aber außer einem Tetrapack Milch und einer Flasche
Hohes C
befand sich nichts Trinkbares darin. Auf Milch hatte sie keinen Appetit und
Hohes C
mochte sie nicht. Jedenfalls nicht dieses, in dem dicke „Plocken“ aus Fruchtfleisch träge herumschwammen.
Mathildas Blick wanderte auf den Küchentisch zurück.
Glück gehabt!
Neben einer geleerten und einer noch fast vollen Rotweinflasche befand sich auch eine Wasserflasche darauf.
Sie zog den Stuhl zurück, setzte sich an den Tisch und füllte das Glas mit Wasser. Mathilda nahm einen tiefen Schluck und stellte das Glas auf dem Tisch ab. Kaum hatte sie das Glas abgestellt, kamen die Gedanken und Bilder zurück.
Tom. Tom mit Tanja. Tom und sie. Sie alle drei. Tom und Tanja eng umschlungen. Tom und Tanja knutschend auf
ihrer
Bank.
Mathilda schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, um ihren Schmerz irgendwie rauszulassen. Die leeren Rotweingläser schwankten ein wenig, kippten aber nicht um. Mathilda griff nach der leeren Rotweinflasche und roch daran. Sie rümpfte die Nase und stellte die Flasche wieder zurück an ihren Platz.
Plötzlich musste sie an Conni denken und an ihren Schmerz, den sie seit der Trennung von Dad mit sich herum- und offen zur Schau trug.
„Nur der Wein kann mir noch helfen“, hatte sie neulich zu Mathilda gesagt und ihr dabei mit dem Glas in der erhobenen Hand zugeprostet.
„Prost, Mathilda! Alle Männer sind Schweine!“ Dann hatte sie ihr Glas an die Lippen geführt, jedoch nicht getrunken. Über den Rand des Glases hinweg, hatte sie Mathilda angeschaut und gesagt: „Glaub mir Mathilda, nur auf Alkohol ist noch Verlass. Aber ganz bestimmt nicht auf die Kerle.“
Am nächsten Tag, im nüchternen Zustand, hatte sie sich dafür dann bei Mathilda entschuldigt.
„Alkohol ist natürlich keine Lösung, Schatz. Das weiß ich selbst. Aber im Moment bin ich so weit unten, dass ich es manchmal mit klarem Kopf einfach nicht ertragen kann. Das ist nur eine Phase. Das geht wieder vorüber. Du musst dir deswegen keine Sorgen machen.“
Und dann war sie wieder für einen Moment
Mathildas Mom
gewesen. Die
echte
Conni! Nicht die Frau, die ihre Sorgen und ihren Kummer nur noch mit Hilfe von Alkohol in den Griff bekommen konnte, weil sie sich im nüchternen Zustand so jämmerlich, klein und ungeliebt fühlte.
Mathilda griff nach der fast vollen Weinflasche. Ohne lange darüber nachzudenken, stand sie auf, ging zum Hängeschrank rüber, holte sich ein sauberes Weinglas und füllte es mit der dunkelroten Flüssigkeit randvoll.
Mit dem Glas in der einen Hand und der Flasche in der anderen, ging sie die zwei Schritte zurück zum Tisch und setzte sich wieder auf den Stuhl.
Sie hob das Glas an ihre Lippen und trank einen kleinen Schluck. Der Wein schmeckte unerträglich herb und zog ihr die Kehle zusammen. Trotzdem nahm sie einen weiteren tieferen Schluck aus dem Glas, bevor sie es wieder auf den Tisch abstellte.
Herb ist besser als süß, schoss es ihr durch den Kopf. Von s
üß
hatte sie erst mal genug, seitdem sie sich im Park nach drei Flaschen Alkopops übergeben musste. Das Zeug würde sie nie wieder anrühren, hatte sie sich damals geschworen. Aber dieser Wein war einigermaßen erträglich.
Mit der Erinnerung an den Abend im Park kamen auch sofort wieder die Gedanken an Tom und das Ende ihrer Liebe –
seiner Liebe
– zurück.
Der Schmerz schlug über ihr zusammen, nahm sie in den Griff und vertrieb jeden klaren Gedanken aus ihrem Kopf. Sie bemühte sich tief durchzuatmen, aber alles, wozu sie fähig war, waren kurze japsende Atemzüge.
Mit einer hektischen Bewegung griff sie nach dem Weinglas, führte es erneut an ihre Lippen und trank mehrere tiefe Schlucke, bis sie es
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