Prost Mathilda - von Wolke sieben ab in den Vollrausch
schließlich ganz geleert hatte.
Sie musste sich ein bisschen schütteln, als sie das Glas wieder auf den Tisch zurückstellte und es erneut bis kurz unter den Glasrand mit Rotwein auffüllte. Nach dem nächsten Schluck wurde ihr etwas schwindelig, aber auch irgendwie leichter im Kopf. Es fühlte sich alles ein wenig wie in Watte gehüllt an. Die Gedanken an Tom schmerzten nicht mehr so sehr. Überhaupt erschien ihr plötzlich alles gar nicht mehr so schlimm und aussichtslos.
Mathilda trank auch das nächste Glas aus und das übernächste, bis schließlich die Flasche restlos geleert war und sich ihr Kummer und der Schmerz überhaupt nicht mehr so quälend und brennend anfühlten.
Ganz im Gegenteil. Je mehr sie trank, desto leichter fiel es ihr, in Gedanken an einer
Tom-zurück-Eroberungsstrategie
zu arbeiten, von der sie sich am Ende ganz sicher war, dass sie zum Erfolg führen würde.
Als sie wenig später vom Tisch aufstand, war sie betrunken genug, um sich irgendwie gut zu fühlen, aber noch so nüchtern, dass sie sämtliche Spuren ihres Saufgelages in der Küche beseitigen konnte. Dann torkelte Mathilda in ihr Zimmer zurück.
Wenn sich Conni am nächsten Morgen nach dem Verbleib der noch fast vollen Flasche erkundigen sollte, würde sie ihr einfach erzählen, dass sie den Inhalt in den Ausguss geschüttet hätte. Merle hatte das schließlich auch schon ein paarmal gemacht, wenn sie sich mal wieder, wegen Connis häufigen Alkoholkonsums, über sie geärgert hatte.
Genauso würde sie es auch begründen. Mit diesen Gedanken schlief Mathilda wenig später ein.
In Deutschland leben 2,5 bis 3 Millionen Alkoholkranke, davon etwa eine halbe Million im Alter zwischen 12 bis 21 Jahren. Bundesweit ist ein Anstieg von Alkoholintoxikationen bei Minderjährigen zu beobachten, wobei der Anteil der unter 15-Jährigen bei 38 Prozent liegt und die Mädchen deutlich stärker vertreten sind als Jungen
.
(Quelle: „Jugend Sucht“ von Dr. Christoph Möller, Oberarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Leiter der Therapiestation Teen Spirit Island im Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover)
Kein Bock aufs Leben
Als Mathilda die Augen aufriss, wurde sie von stechenden Kopfschmerzen überwältigt. In ihrer Kehle brannte es wie Feuer und ihre Zunge fühlte sich widerlich pelzig an. Sie versuchte sich vorsichtig aufzusetzen, was das Dröhnen und Stechen in ihrem Kopf nur noch verschlimmerte. Stöhnend ließ sie sich wieder zurücksinken und blieb regungslos liegen.
Nach einer Weile unternahm sie einen neuen Versuch, sich aufzusetzen. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen, aber diesmal blieb sie aufgerichtet. Blinzelnd schaute sie sich in ihrem Zimmer um. Die Luft kam ihr heiß und stickig vor. In Sekundenschnelle drückte sich ihr der Schweiß aus sämtlichen Poren. Sie strampelte mit ihren Füßen die Bettdecke zur Seite und japste nach Luft.
Was war geschehen?
Mathilda konnte keinen klaren Gedanken fassen. Das Letzte, an das sie sich schwach erinnern konnte, war das Treffen mit Tom im Park.
Tom.
Auf einmal war alles wieder da. Er hatte Schluss gemacht – wieder Schluss gemacht. Nachdem Mathilda schon ganz fest geglaubt hatte, dass alles wieder gut zwischen ihnen war. Doch dann hatte er ihr von Tanja erzählt und dass er mit ihr ...
Mathilda konnte den Gedanken nicht zu Ende führen. Zu schmerzhaft waren die Erinnerungen.
Vorsichtig stand sie vom Bett auf und pellte sich langsam aus ihren Klamotten vom Vortag, in denen sie die ganze Nacht geschlafen hatte. Nur ihre Umhängetasche hatte sie vorm Schlafengehen achtlos in die Ecke geschmissen.
Mit Slip und BH bekleidet huschte sie aus ihrem Zimmer, über den winzigen Flur ins Badezimmer. Ein Blick auf ihre Armbanduhr verriet ihr, dass sie verschlafen hatte. Für die Schule war es zu spät – viel zu spät. Aber vielleicht war das auch ganz gut so, schoss es ihr durch den Kopf. Womöglich wäre ihr in der Schule Tom begegnet. Vielleicht sogar Arm in Arm mit seiner Tanja. Und das war so ziemlich das Allerletzte, was Mathilda im Moment verkraften konnte.
Sie legte ihre Unterwäsche ab, griff in die Duschkabine und drehte den Wasserhahn auf. Mathilda wartete, bis das Wasser die richtige Temperatur hatte, und huschte dann unter den warmen Strahl. Kaum rieselte das Wasser an ihrem Körper hinunter, fühlte sie sich schon etwas besser. Es kam ihr fast so vor, als wenn mit dem Schweiß, der von ihrem Körper gespült wurde, auch ein bisschen von ihrem Kummer im
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