Proust 1913
und so kauft oder verkauft er immer wieder Wertpapiere auf eigene Faust. Er hätte es besser bleiben lassen. Mit der Bitte, es nicht weiterzusagen, gesteht er Hauser am 15 . April: »[…] ich habe dummerweise für fünfundzwanzigtausend Francs Kinta gekauft mit der Absicht, sie am folgenden Tag hundert Francs teurer wieder zu verkaufen. Doch seither haben sie nur nachgegeben.« ( XII , 134 – 135 ) Die Gesellschaft »Étains de Kinta« fördert die 1884 im Kinta Valley von Perak auf der Halbinsel Malakka in Malaysia entdeckten Zinnvorkommen. Offenbar nicht immer mit dem erhofften Erfolg. In einem Brief an Madame Straus vom 1 . Mai nimmt das Missgeschick mit den Kinta-Aktien ganz andere Dimensionen an. Mit ironischem Unterton spricht Proust dort von einer »grandiosen Spekulation von mehreren hunderttausend Francs« ( XII , 160 ). Diese hält ihn aber nicht davon ab, der verehrten Frau Ende April einen Früchtekorb mit Erdbeeren und Kirschen zukommen zu lassen – mit der Bemerkung, das Geschenk komme von »einem verliebten und ruinierten Spekulanten« ( XII , 159 ).
Mai
Proust macht Geschenke
Das Zigarettenetui für Gaston Calmette ist nur ein Beispiel unter vielen anderen: Proust liebt es, Geschenke zu machen. Gleichzeitig mit dem Präsent für Calmette lässt er einen Ring für Louis de Robert herstellen, und dem Früchtekorb für Madame Straus folgt am 1 . Mai ein Brief, in dem er sie zum x-ten Mal um Rat fragt wegen eines Geschenks, das er den beiden Töchtern der d’Altons machen möchte, einer Familie, der er seit einigen Jahren in Cabourg regelmäßig begegnet. Immer wieder werden die jungen Damen von Proust großzügig beschenkt, einmal mit einer an einem Collier hängenden Uhr, einmal mit einem Necessaire, und immer lässt sich Proust von seinen Vertrauten, meist Mme Straus oder Reynaldo Hahn, ausführlich und umständlich über die geplanten Geschenke beraten und informieren. Im Herbst 1912 sollen es zwei Pelzchen sein. Am 2 . Oktober 1912 erkundigt er sich bei dem Vicomte d’Alton, ob beide Pelzchen weiß sein sollen, oder nur eines weiß und das andere nicht; ob es ein Muff oder ein Schal sein soll; ob es nötig sei, Maß zu nehmen usw. Mitte Oktober doppelt er nach, denn schon wird es kalt. Und Mme Straus soll ihm die Adresse eines Kürschners angeben. Diese lautet »Th. Corby, fourreur, rue Milton 2 , et rue Lamartine 46 «. Der Winter kommt und vergeht, doch Mitte März befindet sich das Pelzgeschenk immer noch im Stadium der Planung: »Da ich durch Ungelegenheiten aller Art verhindert war, mich um Corby zu kümmern«, schreibt Proust an Mme Straus, »möchte ich Sie fragen, ob man bei solchen Dingen die Größe der Person kennen muss; muss ich mich bei den Empfängerinnen danach erkundigen. Oder genügt es, Corby das ungefähre Alter anzugeben? Schließlich: Sind das Dinge, die von Jahr zu Jahr aus der Mode kommen; und sie im Frühling zu schenken, ist das nicht wie eine Tüte mit Marrons glacés am 3 . Januar zu überreichen, so aussehen als bringe man Bestelltes und nicht Abgeholtes? Trotzdem gebe ich sie lieber jetzt, nicht der Jahreszeit gemäß, um nicht den Anschein zu erwecken, falls ich bis zum nächsten Winter zuwarte, mein Versprechen nicht zu erfüllen.« ( XII , 111 ) Die Sache wird nicht einfacher, als Proust endlich ein Prospekt von Corby vorliegt. Wieder wendet er sich an Mme Straus: »Können Sie mir«, schreibt er am 1 . Mai, »unter all diesen Tieren einen Ratschlag geben? Gibt es einen sichtbaren Unterschied zwischen Maulwurf, Zobel, Rauchfuchs usw. Für den weißen braucht es, glaube ich, Weißfuchs, denn ›falscher Hermelin‹ scheint mir unredlich. Doch für den dunklen bin ich nicht sicher, ob ich nicht Graufuchs wählen muss (eines der jungen Mädchen möchte dunkel, das andere weiß). Schreiben Sie mir nicht, wenn Sie dazu keine Meinung haben. Sie hätten mir wegen der Kirschen nicht schreiben müssen. Doch Ihr Briefchen hat mir große Freude gemacht./Ihr ergebener Freund/Marcel Proust/Ich möchte ungefähr 5 bis 700 Francs ausgeben.« ( XII , 160 ) Zu Beginn des Briefes berichtet Proust von seinen »grandiosen Spekulationen von mehreren hunderttausend Francs«. Wie dem auch sei, kurz danach wurden die Pelzchen bestellt, hergestellt, überreicht und von den Beschenkten bedankt. Auf den Dank reagiert Proust Mitte Juni mit einem Brief an Colette d’Alton: »Liebes Fräulein Colette/Ich bin so krank, so wirklich krank, dass ich nur Ihnen antworte, jedoch mit der
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