Pruefungen bestehen
(wie manche heute SUDOKUs lösen). 2 Dieses Hobby einiger alter Männer sollte aber erst in der Oberstufe des Gymnasiums »drankommen« , noch besser erst auf der Universität – und zwar freiwillig, also nur für jene, die sich dafür interessieren. Aber zu glauben, wir helfen dem 10jährigen Sohn eines Metzgers oder der 11jährigen Tochter einer Putzfrau, wenn wir sie zwingen, sich mit grammatikalischen »Sudokus« zu befassen, und ihnen eine schlechte Note zu geben (beziehungsweise sie sogar SITZENBLEIBEN zu lassen), wenn sie es nicht schaffen, ist menschenverachtend. Erstens hatte PANINI 60 Jahre Sprach-Erfahrung, als ihn die Einsicht traf, daß man Sprache ANALYSIEREN könnte – weit mehr, als
die Schüler haben -, und zweitens tun sich Kinder aus sogenannten bildungsnahen Familien sehr viel leichter, weil ihr Sprach-VERMÖGEN auf einem weit höheren Niveau liegt als das von Kindern aus bildungsfernen (oder bildungsfeindlichen) Haushalten. Einem solchen Kind hilft es nicht , mit Grammatik ÜBER eine Sprache zu reflektieren, die es noch nicht beherrscht . Ganz im Gegenteil: So hält man es äußerst erfolgreich davon ab , sich intensiv mit der Sprache zu beschäftigen , wie dies z.B. beim Singen von Liedern oder bei Theater- beziehungsweise Rollenspielen stattfindet. Diese Aktivitäten bringen das Sprachvermögen von Kindern aus bildungsfernen Familien oder von Migrantenkindern, in kürzester Zeit um Jahre nach vorn , wie Experimente gezeigt haben 3 .
Einer der Max-Planck-Mitarbeiter, der im Fernsehen diesbezüglich interviewt wurde, war über den Erfolg total überrascht. Aber es ist überhaupt nicht überraschend, wenn wir den Neuro-Mechanismus der ABSTRAKTIONS-FÄHIGKEIT respektieren, der uns
(Spiel-)REGELN unbewußt besser lernen läßt als bewußt. Hier unterbindet die Schule wieder einmal den optimalen Lernerfolg, wenn sie mit den Kindern nicht »Sprache anwendet«, sondern »über Sprache arbeitet«, z.B. indem Regeln gepaukt oder Grammatik-Übungen durchgeführt werden. Schule ist eben immer noch am leichtesten für Kinder aus bildungsnahen Familien – unabhängig von den Lippenbekenntnissen unserer Politiker, die das Gegenteil behaupten. Schade!
Wenn Ihnen das einleuchtet, dann sind Sie sicher bereit, die beiden folgenden kleinen Versuche durchzuführen (und später in ähnlicher Form zu lernen):
1. Beginnen Sie mit einer Sprache , die Ihnen noch unbekannt ist, z.B. Italienisch. De-Kodieren Sie ein Lied (s. nächster Abschnitt, Seite 45ff.) und singen Sie es einige Male in diesem komischen »Pseudo-Deutsch«, ehe Sie beginnen, es im Original zu singen. Sie werden erstaunt sein, wie viele Wörter Sie schon nach diesem einen Lied (einer Strophe) kennen. Wer ca. sechs bis acht Lieder hinter sich hat, beginnt die Struktur der Sprache zu »fühlen«, das heißt, sein Unbewußtes beginnt, jene (grammatikalischen) Spielregeln zu »finden«, die wir eben nicht bewußt lernen müssen.
2. Lernen Sie einen neuen Tanz (mit Hilfe einer DVD), aber nicht indem Sie Anweisungen befolgen (z.B. wann Sie Ihr Gewicht wohin verlagern sollen, in welchem Winkel Sie Ihren Körper drehen müssen
etc.), sondern lediglich durch ZUSCHAUEN und (nach einigen Malen) vorsichtigem MITMACHEN, bis Sie das, was Ihnen die DVD zeigt, NACHMACHEN können. Das ist der Königsweg für das Lernen von Verhalten durch Training (vgl. auch TRAINING – EXTREM LANGSAM, Seite 73ff.).
De-Kodieren statt Vokabel-Pauken?
Mit De-Kodieren meine ich das wortwörtliche Übersetzen. Stellen Sie sich vor, der fremdsprachliche Text ist ein geheimer CODE, den Sie knacken wollen. De-Kodierungen machen eine Sprache quasi transparent, Sie können »hineinschauen« und auf diese Weise Einsichten gewinnen, die Sie sonst nie erlangt hätten.
Das häufigste Argument gegen das De-Kodieren lautet: Dabei entsteht aber kein gutes Deutsch! Das ist richtig, aber das Ziel muss doch das Erlernen der fremden Sprache sein (zu verstehen, wie diese »funktioniert«) und nicht, heimlich Deutschunterricht zu »machen« – während man eigentlich Latein, Englisch (teilweise neuerdings sogar Chinesisch etc.) lernen will. Beispiel:
NI HON JIN
Ja- pan Mensch
NI HON
Ja- pan
GO O
Sprache- O
HANA-SHIMAS.
sprechen-tun.
Anmerkungen :
1. Die Konstruktion LAND + MENSCH (»Japan Mensch«) ist in vielen Sprachen üblich, während indoeuropäische Sprachen dem (verkürzten) Landesnamen (Deutsch, America) oft eine Endung verpassen (ein Deutsch er , an america n ). Das findet
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