P.S. Ich liebe Dich
entgegen. Alle grölten: »I need somebody to love«, und klatschten sich selbst eine Runde Beifall. Jetzt fühlte sich Holly schon etwas weniger nervös und arbeitete sich verbissen weiter durch den Rest des Lieds. Inzwischen hatten die Leute in den hinteren Reihen wieder angefangen zu reden, die Barleute bedienten und klapperten mit den Gläsern, bis Holly irgendwann das Gefühl hatte, dass sie sich eigentlich nur noch selbst zuhörte.
Als sie endlich fertig war, nahmen dies nur ein paar höfliche Leute ganz vorn und ihr eigener Tisch zur Kenntnis. Der Moderator nahm ihr das Mikrophon aus der Hand und lachte: »Beifall für die mutige Holly Kennedy!«
Diesmal klatschten nur ihre eigenen Leute. Denise und Sharon liefen ihr entgegen, ihre Wangen waren nass von Lachtränen.
»Ich bin so stolz auf dich!«, rief Sharon und schlang die Arme um Hollys Hals. »Du warst furchtbar!«
»Danke, dass du mir geholfen hast, Sharon«, antwortete Holly und drückte ihre Freundin an sich.
Jack und Abbey jubelten ihr zu, und Jack rief: »Schrecklich! Absolut schrecklich!«
Hollys Mutter lächelte aufmunternd; ihr war klar, dass sie ihr musikalisches Talent direkt an ihre Tochter vererbt hatte. Hollys Vater konnte ihr kaum in die Augen sehen, weil er so lachte. Ciara brachte nur heraus: »Ich hätte nie gedacht, dass jemand so schief singen kann.«
Declan winkte ihr, die Kamera in der Hand, durch den Saal zu und hielt grinsend die Daumen nach unten. Holly versteckte sich hinten am Tisch, nippte an ihrem Wasser und lauschte, während alle ihr zu ihrem hoffnungslosen Misserfolg gratulierten. Aber sie war selten so stolz gewesen. Gerry belohnte sie, indem er die Arme um sie schlang und sie den Rest des Abends festhielt. Daran konnte ihn niemand hindern.
Nach einer Weile kam John angeschlurft, lehnte sich neben Holly an die Wand und sah sich schweigend den nächsten Auftritt an. Schließlich nahm er allen Mut zusammen und sagte: »Das lässt Gerry sich bestimmt nicht entgehen, glaubst du nicht auch?« Seine Augen waren voller Tränen. Der arme John, auch er vermisste seinen besten Freund. Holly nahm ihn lächelnd in die Arme.
Eine Stunde später waren alle Kandidaten mit ihrem Auftritt durch, und Daniel zog sich mit dem Moderator zurück, um die Auswertung vorzunehmen. Jeder Gast hatte beim Bezahlen an der Tür einen Stimmzettel bekommen.
Zur Siegerehrung gab es einen Trommelwirbel. Dann trat Daniel – wieder in schwarzer Lederjacke und schwarzer Hose, seiner Uniform – auf die Bühne und wurde von den Mädchen mit Pfiffen und Schreien begrüßt. Ciara schrie und pfiff am lautesten. Richard war immer noch aufgeregt und drückte Holly ganz ernsthaft die Daumen, was sie irgendwie rührend fand. Offenbar hatte er die »Regeln« doch nicht richtig verstanden.
»Ich danke allen, die am heutigen Wettbewerb teilgenommen haben, wir haben uns heute wieder einmal blendend unterhalten«, verkündete Daniel. Der letzte Teil des Satzes war natürlich auf Holly gemünzt, die verlegen auf ihrem Stuhl herumrutschte. »Nun, die beiden Teilnehmer, die ins Finale kommen, sind« – Daniel machte eine Kunstpause – »Keith und Samantha!«
Holly sprang auf und tanzte mit Denise und Sharon im Kreis herum. Noch nie im Leben war sie so erleichtert gewesen – nie wieder Karaoke! Richard machte ein verwirrtes Gesicht, aber Hollys übrige Familie gratulierte ihr noch mal zu ihrem gloriosen Misserfolg.
»Ich hab für die Blonde gestimmt«, verkündete Declan voller Enttäuschung.
»Nur weil sie große Titten hat«, lachte Holly.
»Na ja, wir haben doch alle unsere ganz speziellen Talente«, meinte Declan.
Während Holly sich wieder auf ihren Platz setzte, überlegte sie, was wohl ihre Talente waren. So ein Sieg musste ein wundervolles Gefühl sein. Zu wissen, dass man talentiert war. Holly hatte noch nie einen Wettbewerb gewonnen, sie machte keinen Sport, spielte kein Instrument, und jetzt, wo sie darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass sie weder ein Hobby noch sonst richtige Interessen hatte. Was würde sie in ihren Lebenslauf schreiben, wenn sie es endlich schaffte, sich für einen Job zu bewerben? »Ich trinke gern und gehe gern shoppen«, würde sich wahrscheinlich nicht besonders gut machen. Nachdenklich nippte sie an ihrem Glas. Bisher hatte sie sich immer nur für Gerry interessiert, eigentlich hatte sich alles immer nur um ihn gedreht. In gewisser Weise bestand ihr einziges Talent darin, Gerrys Frau, seine Partnerin zu sein. Ansonsten
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