P.S. Ich liebe Dich
noch von hinten sah. Sie war stinksauer. Und weil es nach sechs Uhr war, hatte der Coffee-Shop schon geschlossen, und sie musste eine halbe Stunde in der Eiseskälte rumstehen, bis der nächste Bus eintrudelte. Das alles bestärkte sie in ihrem sehnlichen Wunsch, sich vor dem Kaminfeuer zusammenzurollen.
Aber es sollte nicht sein, denn ihr geliebter Ehemann hatte andere Pläne. Müde und völlig vergrätzt kam sie in einem Haus an, das von Menschen überquoll. Musik dröhnte durch alle Räume. Leute, die sie noch nie gesehen hatte, schlenderten mit Bierdosen in ihrem Wohnzimmer umher und lümmelten sich auf der Couch, auf der sie in Ruhe die nächsten Stunden ihres Lebens hatte verbringen wollen. Gerry stand am CD-Spieler, mimte den DJ und versuchte, cool zu wirken. In ihrem ganzen Leben hatte Holly ihn noch nie so uncool gesehen.
»Was ist los mit dir?«, erkundigte er sich dann auch noch empört, nachdem sie nach oben in ihr Schlafzimmer gestürmt war.
»Gerry, ich bin müde, ich bin genervt, ich habe heute Abend keine Lust auf Trubel, und du hast mich nicht mal gefragt, ob es in Ordnung ist, wenn du die ganzen Leute einlädst. Übrigens, wer ist das alles überhaupt?«, schrie sie ihn an.
»Das sind Freunde von Conor und außerdem ist das hier auch mein Haus!«, brüllte er zurück.
Holly drückte die Finger gegen die Schläfen und begann sie zu massieren. Die Musik trieb sie zum Wahnsinn.
»Gerry«, fing sie noch einmal an und versuchte, möglichst ruhig zu bleiben. »Ich sage doch nicht, du sollst keine Leute einladen. Es wäre vollkommen in Ordnung gewesen, wenn du mir vorher Bescheid gesagt hättest. Dann hätte es mich überhaupt nicht gestört, aber heute bin ich so verdammt kaputt.«
»Ach, das ist doch jeden Tag das Gleiche mit dir«, fauchte er. »Du willst doch überhaupt nichts mehr unternehmen. Du kommst schlecht gelaunt heim und motzt mich wegen jeder Kleinigkeit an.«
Jetzt fiel Holly buchstäblich die Kinnlade herunter.
»Entschuldige bitte, aber ich habe eine harte Woche hinter mir!«
»Ich auch, aber ich gehe nicht jedes Mal auf dich los, wenn nicht alles nach meiner Nase läuft.«
»Gerry, es geht mir nicht darum, dass alles nach meiner Nase läuft, sondern darum, dass du die ganze Straße zu uns eingeladen hast … «
»Es ist Freitag!«, überschrie er sie. »Wir haben Wochenende! Wann sind wir das letzte Mal ausgegangen? Hör doch mal auf, immer nur an die Arbeit zu denken und mach dich ein bisschen locker. Hör auf, dich ständig wie eine alte Oma aufzuführen!« Damit rannte er aus dem Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Nachdem sie eine ganze Weile auf der Bettkante gesessen, Gerry gehasst und über Scheidung phantasiert hatte, beruhigte Holly sich zumindest so weit, dass sie über den Inhalt dessen nachdenken konnte, was er gesagt hatte. Und sie kam zu dem peinlichen Schluss, dass er Recht hatte. Sicher, seine Art, es auszudrücken, war nicht besonders angemessen gewesen, aber Holly musste zugeben, dass sie tatsächlich schon den ganzen Monat schlecht gelaunt gewesen war.
Normalerweise räumte sie immer zeitig ihren Schreibtisch auf und schaltete den Computer so früh aus, dass sie pünktlich um fünf Feierabend machen konnte, und es war ihr ziemlich gleichgültig, ob ihren Chefs das gefiel oder nicht. Sie nahm keine Arbeit mit nach Hause, sie machte sich keine übertriebenen Gedanken über die Zukunft ihrer Firma. Wie war es eigentlich dazu gekommen, dass sie jetzt plötzlich angefangen hatte, Akten mit heim zu nehmen, ohne Ende Überstunden zu machen und sich für das Schicksal des gesamten Betriebs verantwortlich zu fühlen? Gerry hatte Recht. Seit Wochen war sie ständig nörgelig gewesen, war nicht mehr mit Gerry oder mit ihren Freunden ausgegangen, und jeden Abend schlief sie sofort ein, kaum dass ihr Kopf das Kissen berührte. Autsch, die Erkenntnis war nicht angenehm.
Ab heute Abend würde sich das ändern! Sie würde allen zeigen, dass sie immer noch die fröhliche, unternehmungslustige Holly war, die alle unter den Tisch trinken und trotzdem noch aufrecht nach Hause gehen konnte!
Nach einer Unmenge undefinierbarer selbstgemixter Cocktails hüpfte die ganze Truppe gegen elf hinunter zu einem Pub, in dem ein Karaoke-Abend stattfand. Holly beschwatzte den Moderator, bis sie den ersten Auftritt für sich hatte. Der Pub war brechend voll, ein ziemlich wilder Haufen, denn es wurde ein Junggesellenabschied gefeiert. Rückblickend erschien es Holly, als
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