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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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hatte, entdeckte er es in einer Ecke des Wagens: Er war nicht überrascht, dass er genau dieses Artefakt beim ersten Durchgang übersehen hatte, denn es war alles andere als groß. Die Tatsache, dass es überhaupt jemand gefunden hatte, war vermutlich ein kleines Wunder. Vielleicht hatte das Licht gerade im richtigen Augenblick dort auf dem Skelettfinger des Mannes aufgeblitzt, der es einst getragen hatte.
    Es war ein einfaches Stück, ein schlichter Ring, der aus einem seltsamen Metall gefertigt war, dunkel wie Eisen, aber leicht wie Stahl. Das Siegel selbst war mit Asche und Schlamm verschmiert, aber Neb erkannte es, noch ehe er auf einen Zipfel seines Talars spuckte, um damit den Schmutz wegzuwischen.
    Er hatte sein ganzes Leben lang Bilder dieses Rings gesehen. Und er hatte den Stempel seines Siegels auf tausenden Schriftstücken in der Großen Bibliothek vor Augen gehabt. Er hatte ihn am Finger eines jeden Mannes gesehen, dessen Porträt in der Halle der Könige hing.
    Es war der Siegelring des androfranzinischen Papstes.
    Er blickte um sich, unsicher, was er tun sollte. Neb wusste, dass Petronus nicht wollen würde, dass der Ring in Sethberts Hände fiel. Sicher, es war nur ein Ring. Er hatte nichts Magisches an sich. Aber er war eines der ältesten Symbole des Amtes, einmalig und nicht reproduzierbar. Und die Nachricht ging durch das ganze Lager, dass ein anderer Androfranziner – irgendjemand, der sich still verhielt, aber zumindest einigen wenigen bekannt war – ein unmittelbareres Nachfolgerecht auf den Thron von Windwir hatte. Natürlich war Neb der Einzige hier, der die Wahrheit über Petronus kannte, und er hatte die Information bestimmt nicht weitergegeben, was bedeutete, dass es noch jemand anderen gab, der es wusste. Oder vielleicht, dachte Neb, war es auch gar nicht Petronus, auf den sich diese Gerüchte bezogen. Vielleicht schielte ein anderer Erzbischof auf das höchste Amt des verkrüppelten Ordens.
    Trotzdem war Neb in der kurzen Zeit, in der sie nun zusammenarbeiteten, schnell auf den Gedanken verfallen, der freundliche, alte Mann könnte der wahre Papst sein. Doch es stand außer Frage, dieses Wissen öffentlich kundzutun, ganz gleich, was ihm Bruder Hebda in seinen Träumen sagte.
    Schließlich ließ Neb den Ring in seine Tasche gleiten. Zumindest war er dort sicher vor den Fingern irgendeines Möchtegerns. Und im besten Fall wäre der Ring nicht weit, falls Petronus seinen rechtmäßigen Platz wieder einnehmen sollte.
    Neb fuhr mit seiner Bestandsaufnahme fort und spürte das Gewicht von Jahrtausenden in seiner Tasche, ohne recht zu wissen, was er damit anfangen sollte.
    Jin Li Tam
    Sie ritten eine Nacht und einen Tag durch, hielten immer nur ein paar Minuten am Stück an. Jin Li Tam und Rudolfo ließen ihre Hengste Seite an Seite galoppieren, und sie ritten schweigend.
    Am Morgen merkte Jin, wie ihre Wahrnehmung in den gewohnten Bereich zurückkehrte. Bis zum frühen Nachmittag war der letzte Rest der Magifizienten ausgebrannt, und sie spürte, wie der Entzug sie auslaugte und ihre Glieder schmerzen ließ. Späher verbrachten Jahre damit, die Magifizienten regelmäßig anzuwenden, sie lernten den Rhythmus ihres Körpers kennen und übten die Kniffe ihres Handwerks, die den Entzug etwas abmilderten. Die Tatsache, dass sie nur während Kriegszeiten benutzt wurden, und nur von der obersten Elite der Soldaten, spielte ebenfalls eine Rolle. Obwohl Jin formell nicht zu den Spähern gehörte, hatte sie viel Zeit mit ihnen verbracht, und diejenigen, mit denen sie im Augenblick ritt, konnten tagelang ununterbrochen magifiziert bleiben – sogar wochenlang -, ohne übermäßige Auswirkungen zu verspüren. Sie dagegen kam kaum mit einem einzigen Tag zurecht.
    Mit Rudolfos Eskorte und der ihren waren sie nun ein vollständiger Trupp, abgesehen von dem Mann, den der Erzbischof getötet hatte. Die Späher hatten sie, Rudolfo und Isaak beim Reiten in die Mitte genommen, und sie hielten ihre Klingen unter den Achseln festgeklemmt, bereit, sie beim winzigsten Verdachtsmoment zu ziehen.
    Eine ganze Weile nach Einbruch der Dunkelheit machten sie Halt, um ein Lager aufzuschlagen. Sie befanden sich in einem Wald mit altem Kieferbestand, gut eine Meile abseits des schlammigen Pfades, der so weit im Norden als einzige Straße diente.
    Rudolfo nahm den Anführer seiner Späher zur Seite, während die anderen das Lager aufschlugen. Jin Li Tam versuchte, sich nützlich zu machen, aber letzten Endes stand sie nur im

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