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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Weg. Die Zigeunerspäher bewegten sich mit großer Präzision, stellten flink die Zelte auf und entfachten ein kleines Feuer.
    Natürlich wäre Oriv ein Narr gewesen, wenn er sie hätte verfolgen lassen. Seine ohnehin schon ausgedünnte Graue Garde war um ein paar weitere Männer dezimiert worden. Er würde es nicht riskieren, noch mehr zu verlieren oder seinen Palast unbewacht zu lassen. Wenn er auf Rache aus war – und Jin war nicht sicher, ob er zu diesem Menschenschlag gehörte -, würde er jemanden anheuern. Oder sich an seinen Vetter wenden. Sie hatte keine Zweifel, dass Vögel bereits eilig nach Süden und Osten flatterten, um die Nachricht von Rudolfos Flucht zu überbringen.
    Seit sie Orivs Amtssitz verlassen hatten, hatte Isaak nicht mehr gesprochen, und zum ersten Mal, seit sie geflohen waren, fiel ihr auf, dass er seinen Androfranzinertalar nicht mehr trug. Wie hatte ihr das entgehen können? Er saß an einen Baum gelehnt und starrte zwischen den Ästen hindurch ins Nichts. Seine Blasebälge bebten von Zeit zu Zeit, als würde er auf eine Art und Weise seufzen, für die sein Gehäuse nicht geschaffen war. Jin konnte die Feinheiten seines metallenen Rahmens und seiner Muskeln sehen. Überall auf seinen langen, schlanken Armen und Beinen und seinem helmförmigen Kopf mit den Juwelenaugen schimmerte es stumpf, als die Zigeunerspäher Funken für ihr Feuer schlugen. Sein Mund öffnete und schloss sich immer wieder.
    Jin Li Tam ging zu Isaak und setzte sich neben ihn. »Isaak?«
    Er antwortete nicht. Sie streckte eine Hand aus, zögerte und ließ sie dann auf seine kalte Metallschulter sinken. Er wirbelte herum, seine Augenlider erwachten blitzartig aus ihrer Starre, seine Hand hob sich. Er hielt inne. »Entschuldigt, edle Dame Tam.«
    »Wo ist dein Talar?«
    Seine Augenschließen flatterten, und aus seinem Rücken entwich Dampf. »Papst Resolut hat mir befohlen, ihn abzulegen. Er sagte, es gezieme sich nicht für einen Automaten, die Tracht des P’Andro Whym zu tragen.«
    »Ich glaube«, sagte Jin Li Tam, »P’Andro Whym hätte sich gefreut, dass du sie trägst.« Sie wartete und fragte sich, ob sie noch etwas sagen sollte. »Machst du dir deswegen Gedanken?«
    Isaak blickte auf, seine Augen von einem so großen Kummer erfüllt, wie sie ihn nur einmal zuvor gesehen hatte. »Nein, edle Dame Tam. Ich bin wegen einer anderen Sache besorgt.«
    Sie spürte, wie sich ihre Augenbrauen zusammenzogen. »Welcher anderen Sache?«
    »Ich fürchte«, sagte Isaak, »dass ich eine Fehlfunktion habe. Ich glaube nicht, dass ich gute Dienste bei der Wiederherstellung der Bibliothek leisten werde.« Er hielt inne, sein Mund öffnete sich klickend und schloss sich dann wieder, heraus kam ein metallisches Stammeln: »Ich bin nicht mehr … zuverlässig.«
    »Auf welche Weise?« Um sie herum legten die Späher letzte Hand an das Lager. Sie konnte die Zwiebeln riechen, die der Koch schnitt, während er das Mahl zubereitete.
    Isaak starrte wieder in den Wald hinaus. »Papst Resolut hat mir viele Fragen gestellt. Schwierige Fragen. Über meine Rolle bei der Verheerung von Windwir.« Er machte eine Pause. »Dann hat er mich gefragt, ob ich den Bannspruch aus meiner Erinnerung wiederherstellen könnte, ob ich ihn aufschreiben könnte.«
    Jin Li Tam spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Es gelang ihr nicht, die Frage zu stellen.
    Isaak fuhr fort, starrte immer noch in den Wald. »Als er mich darum gebeten hat, habe ich behauptet, ich könne es nicht. Ich habe ihm erzählt, dass ein Teil meiner Gedächtnisregister bei der Ausführung des Bannspruchs beschädigt worden sei.«
    Jin Li Tam seufzte. »Und er hat dir geglaubt?«
    »Natürlich hat er mir geglaubt. Automaten können nicht lügen.«
    Sie nickte. »Und du machst dir Sorgen, dass du eine Fehlfunktion hast, weil du den Erzbischof belogen hast?«
    »Ja«, sagte Isaak und wandte sich um, um sie anzusehen. »Wie kann ein Automat lügen? Ich glaube …« Er schluchzte mit einer Heftigkeit, die Jin Li Tam zusammenzucken ließ. »Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass der Bannspruch mich verändert hat.«
    Er hat uns alle verändert, dachte sie. »Wenn das der Fall wäre, Isaak, dann war es zum Besseren. Du trägst die gefährlichste Waffe in dir, die die Welt je gekannt hat. Einen Bann, der eine ganze Welt ausgelöscht hat, um den Zorn eines Vaters zu befriedigen. Ein massenhafter Tod für jeden der sieben Söhne, die P’Andro Whym während seines Pogroms der Restauration

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