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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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trampelten, während er dem jungen Vlad Li Tam ein Rennen zum Boot seines Vaters lieferte.
    Das plötzliche Bild seines Jugendfreundes ließ Traurigkeit in Petronus aufsteigen. Und er erkannte, dass unter dieser Traurigkeit eine furchtbare Wut auf jemanden lag, den er einst wie einen Bruder geliebt hatte.
    »Ich wurde für all dies geschaffen«, hatte ihm Vlad Li Tam vor langer Zeit geantwortet, als Petronus ihn gefragt hatte, ob er je darüber nachdachte, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er nicht Fürst Tam vom Haus Li Tam wäre. Anschließend waren sie zusammen ein letztes Mal fischen gegangen, und es hatte beinahe an den Zauber der früheren Tage gerührt, ehe das Schicksal sie gefunden und geknechtet hatte.
    Ich sollte fischen gehen, dachte er. Bestimmt würde ihm einer der Diener des Zigeunerkönigs zeigen können, wo es eine Rute und Angelausrüstung gab. Der Bach, der durch die Stadt floss, war nicht sehr breit, aber er hatte tiefe, grüne Flecken unter dem Schatten der Bäume gesehen, die an seinen Ufern wuchsen, und er wusste, dass dort die Forellen mit ihren braunen Rücken das Wasser aufwühlten, wenn sie fraßen.
    Aber letztendlich blieb Petronus an seinem Schreibtisch und arbeitete, bis alles vor seinen Augen verschwamm und seine Hand schmerzte, und er befreite sich erst aus dem Sessel, als hinter seinem Fenster die nach Wald duftende Nacht vom Quaken der Frösche erfüllt wurde.
    »Wofür ich geschaffen wurde«, sagte er leise in die Dunkelheit.
    Jin Li Tam
    Jin Li Tam erwachte mitten in der Nacht, weil in den Gängen Aufruhr herrschte. Sie kroch zum Guckloch im Wohnzimmer ihrer Gemächer und lugte hinaus auf die Treppenschächte und Flure der Siebten Waldresidenz. Sie sah, wie Diener und Späher die Treppen hinauf- und hinab- und durch Türen hindurcheilten, so leise sie konnten.
    In den letzten zwei Wochen war ihr Schlaf sehr leicht gewesen, während die Vorahnungen sich immer weiter in ihr aufgetürmt hatten. Es sah Rudolfo nicht ähnlich, ohne ein Wort einfach zu verschwinden. Er hatte Sethbert seinen Anatomen der Bußfertigen Folter übergeben, dann war er ohne Eskorte fortgeritten – ohne jemanden wissen zu lassen, wohin er ging oder welchen Grund er dafür hatte.
    Einer der Zigeunerspäher hatte die Nachricht von Sethberts Gefangennahme überbracht, und Jin hatte ihn regelrecht verhört. Der Aufseher hatte sich Rudolfo persönlich ergeben.
    Sethbert hatte etwas zu ihm gesagt. Aber was? Etwas über Windwir? Etwas über das Motiv für sein schreckliches Verbrechen?
    Was immer es war, Rudolfo war ohne ein Wort und ohne die Zigeunerspäher gegangen, deren beeidigte Pflicht es war, ihren König zu jeder Zeit und zu jedem Preis zu verteidigen.
    Und nun war er, wie sie annahm, zurückgekehrt. Sie schlüpfte in ein leichtes Seidenkleid und ging zu der Tür, die zum Badezimmer führte. Sie konnte hören, dass in den Gemächern neben den ihren Betriebsamkeit herrschte. Leise Stimmen flüsterten eilige Anweisungen, während seine Räume vorbereitet wurden.
    Er muss sie überrascht haben. Sie lachte leise. Er hatte vermutlich einen der vielen verborgenen Gänge benutzt, und nun rannten sie alle durcheinander, um seine Zimmer herzurichten, obwohl sie das jeden einzelnen Morgen ohnehin getan hatten, während sie auf seine Rückkehr warteten. Natürlich hätte er so etwas niemals verlangt. Aber sie kannten ihren König.
    Der Aufruhr löste sich rasch wieder auf, und nach ein paar Minuten der Stille hörte sie die leisen, gleichmäßigen Schritte auf dem Gang. Es war eindeutig das Geräusch, auf das sie im Lauf der Monate immer sehnlicher gewartet hatte, und sie hörte, wie Rudolfo vor ihrer Tür kurz anhielt, ehe er weiter den Gang entlangschritt. Sie hörte, wie eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde, und wartete noch einmal zehn Minuten.
    Leise glitt sie durch das Badezimmer in Rudolfos Schlafkammer. Er war nicht dort.
    Jin Li Tam ging von Zimmer zu Zimmer, fand ihn aber weder im Wohnraum noch im Hinterzimmer. Sie ging zum Hauptzugang seiner Gemächer und öffnete die Tür zu dem breiten Gang, der zu der Reihe von Kinderzimmern und dem Haupteingang ihrer eigenen Räume führte.
    Dann wurde ihr alles klar. Sie ging zur Tür jenes ersten Zimmers, das seinem Bruder gehört hatte. Sie hob die Hand, um zu klopfen, ließ sie dann aber wieder sinken. Sachte drehte sie den Knauf und schob die Tür auf.
    Rudolfo saß auf dem kleinen Bett. Er trug unauffällige Kleider, seine Locken rahmten sein Gesicht

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