Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie
genug vorstellen. Vor einer Prüfung hilft es zum Beispiel, den Prüfungsort schon einmal aufzusuchen, dort Platz zu nehmen und in Gedanken die Prüfung zu durchlaufen. Wer das oft genug macht, wird die echte Prüfung wie ein alter Hase absolvieren – auch wenn er noch nie in einer entsprechenden Prüfungssituation war.
Und befragt man nach Flugzeugabstürzen einen der raren Überlebenden, so stellt sich regelmäßig heraus: Diese Menschen haben sich vorher in Gedanken (warum auch immer) wieder und wieder vorgestellt, wie sie einen Flugzeugabsturz erleben, wie sie reagieren, sich schützen und das Flugzeug verlassen. Denken Sie bei Ihrem nächsten Flug daran, wenn Sie mal wieder genervt Zeitung lesen, während das Bordpersonal sich abrackert, um Ihnen zum x-ten Mal zu erklären, wie Sie die Sauerstoffmaske anlegen sollen. Eine kleine mentale Mitmachübung könnte Ihnen vielleicht einmal das Leben retten.
Morewedge , C. K., Huh , Y. E. & Vosgerau , J. (2010): Thought for Food: Imagined Consumption Reduces Actual Consumption. Science, 330, 1530–1533
Sie haben die Wahl: Bleiben Sie ewig jung – oder retten Sie Ihre Ehe
Wie Sie den entwicklungspsychologischen Egozentrismus überwinden, um ganz Sie selbst zu sein
Stellen Sie sich vor: unruhige Nacht, schlecht geschlafen, gewälzt von einer Seite auf die andere, geschwitzt bis zum Gehtnichtmehr. Am nächsten Morgen wachen Sie auf und – oh Schreck – Ihr Halsumfang beträgt plötzlich das Dreifache des Üblichen. Und Ihre Füße (die Sie folglich kaum sehen können) sind übersät mit suppentellergroßen blauen und grünen Pocken.
Geistesgegenwärtig rufen Sie Ihre Hausärztin an. Bitten verzagt-verzweifelt darum, mal eben dazwischengeschoben zu werden. Die Sprechstundenhilfe am anderen Ende der Leitung bedauert: »Alles voll hier, geht leider nicht.«
Wie reagieren Sie?
❏ »Ich wünsche Ihnen die Pest an den Hals!«
❏ »Ja, aber es dauert doch nur drei Minuten.«
❏ »Naja, ist vielleicht auch gar nicht sooo schlimm – ich warte noch mal 14 Tage. Wenn es dann nicht besser ist, rufe ich vielleicht noch mal an …«
Die meisten Menschen wählen Antwort zwei. »Ja, aber es dauert doch nur drei Minuten.«
Und wissen Sie was? Daran scheitern die meisten Ehen.
(Richtig wäre übrigens gewesen: »Ich bin privat versichert.«)
Was, bitte, ist so tragisch an der zweiten Antwort? Ganz einfach: Es handelt sich um eine sogenannte »egozentrische« Argumentation.
Egozentrismus ist ein entwicklungspsychologisches Phänomen, das der berühmte Entwicklungsforscher Jean Piaget untersucht hat. Nicht zu verwechseln mit Egoismus, der sehr negativ behafteten Ich-Bezogenheit. Es handelt sich »lediglich« um die Unfähigkeit, eine andere Perspektive, einen anderen Standpunkt einzunehmen – sowohl gedanklich als auch gefühlsmäßig. Piaget hat dieses Phänomen bereits im sehr frühen Kindesalter (seiner Probanden, nicht seiner selbst) mit Hilfe des sogenannten »Drei-Berge-Versuchs« erforscht:
Er stellte Kinder vor eine Modelllandschaft und fragte sie: »Was siehst du?« Die Kinder antworteten: »Links ist ein großer Berg, in der Mitte ein mittlerer Berg und rechts ein kleiner Berg.« Piaget sagte: »Gut und jetzt klettere in Gedanken mal auf den linken großen Berg, wenn du dann in der Vorstellung da oben stehst – von da oben aus betrachtet: Was siehst du?« Die Kinder antworteten: »Links ist ein großer Berg, in der Mitte ein mittlerer Berg und rechts ein kleiner Berg.« Sie waren also (und sind es in diesem Alter immer) unfähig, im Geiste eine andere Perspektive einzunehmen! Denn eigentlich müssten sie ja antworten: »Ich sehe zwei kleinere Berge unter mir.«
Nun sind Sie zwar vermutlich kein Kleinkind mehr, denn immerhin können Sie diesen Text schon lesen. Dennoch besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass auch Sie kleinkindlich-egozentrisch ticken. Insbesondere wenn Sie – wie die meisten Menschen – Antwort zwei gewählt haben.
Versetzen Sie sich nämlich gedanklich und gefühlsmäßig in Ihre Hausärztin hinein, dann stellen Sie aus deren Perspektive fest: Just an diesem Morgen haben bereits 15 weitere, arme, dickhalsige, pockenfüßige und verzweifelte Patientinnen und Patienten angerufen, die alle »nur mal eben für drei Minuten« dazwischengeschoben werden wollten. Und die jetzt das Wartezimmer komplett übervölkern.
Drei Minuten aus Ihrer Sicht. 15 x 3 = 45 Minuten, die die Ärztin bereits in Verzug ist.
Das ist Egozentrismus: Ich
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