Psychoid - Der Feind in Oliver
Kafka. Dann bist du ja ein schlaues Bürschchen.«
Sie wurde immer abfä lliger. Wenn der Wein nicht so lecker gewesen wäre und dies nicht mein Zimmer, wäre ich sofort geflohen.
» Wenn du meinst. Wie läuft es in der Schule?«
» Wie immer. Das kennst du ja. Ich habe eine neue erste Klasse bekommen. Es macht wahnsinnigen Spaß mit den Knirpsen. Einige aus der dritten Klasse vermissen dich schon.« Und ich dich auch, hätte sie sagen müssen, tat es aber nicht.
» Ach wirklich?«
Auch denen ich die Brö tchen hinterher geschmissen hatte? Von wegen 48 Mohnkörner.
» Ja, sie fragen nach dir, wann du denn wieder kommst. Was soll ich ihnen sagen, wenn sie mich wieder fragen? Wann wirst du wieder kommen?«
Frä ulein Carla stellte zu viele Fragen. Es waren Fragen, die sie mal lieber dem Doc gestellt hätte. Dann hätte ich nicht wie blöd um Worte kämpfen müssen. Ich überlegte, was sie wohl von mir hören wollte. Von mir, einem Psychopathen, der seine Eltern verstümmelt hatte. Was sollte Fräulein Carla nur den Kindern erzählen, wann sie mich wohl wieder sehen würden? Wann ich ihnen Brötchen hinterher schmeiße und wann ich Mohnkörner abzählen werde? Diese Kinder bekämen sicherlich Angst vor mir.
» Ich würde gerne kommen. Stelle dir nur die Gesichter der Kinder vor, wenn ich auftauche. Wäre nicht schlecht.«
» Stimmt. Wäre witzig.«
Ich bekam das Gefü hl nicht los, dass sich Fräulein Carla über mich lustig machte. Aber es war gerade zu schön, um zornig zu sein.
» Mal sehen, Carla. Das kriegen wir schon hin.«
» Es ist so romantisch, nicht?«
» Was?«
» Das Kerzenlicht und der Wein, wir alleine in deinem Zimmer...«
Frä ulein Carla war übergeschnappt.
Sie lä chelte in die Kamera. So als wäre sie nie woanders gewesen. Es dauerte keine zehn Minuten, da klopfte es an meiner Tür. Es war das erste Mal, dass überhaupt jemand anklopfte.
» Vielen lieben Dank.«, sagte Fräulein Carla als sie öffnete. Ein Pfleger brachte uns einen Rekorder, den sie auf mein Bett stellte.
» Schon mal was von Mozart gehört?«
Frä ulein Carla muss wirklich geglaubt haben, ich sei ein Trottel. Ob Iglesias, Beatles, Rolling Stones oder Mozart. War mir alles gleich.
Sie machte die Musik an.
»Was schaust du so? Lass uns tanzen, Oli.«
Ich hasste es, wenn jemand Oli zu mir sagte. Das hasste ich sehr. Doch es war okay.
»Gut.«
Ich stand auf und nahm Frä ulein Carla in meinen Arm. Tanzen, hatte sie gesagt. Dann tanzten wir eben.
Sie hat meine Arme genommen und auf ihre Hü ften gelegt. Hüften mit nicht zu viel Fett drauf. Dann umarmte sie mich und bewegte sich mit mir etwas ruckartig im Kreis. Gut, dass sie Lehrerin war und keine Tänzerin. Ich machte einfach mit. Weil es so schön war. Sie schloss ihre Augen. Ich auch. Warum war Fräulein Carla nur da? Hier bei mir. Um mit mir zu tanzen und Rotwein zu trinken? Ich hatte es nicht verstanden und es war mir jetzt auch egal. Ich tanzte mit ihr. Und Mozart tanzte mit. Mein Leben hätte im Augenblick nicht besser sein können. Ein mehr oder weniger voller Magen, ein wenig Alkohol und eine Frau an der Hand. Wunderschön. Wir tanzten eine Ewigkeit. Auch wenn es vielleicht nur Minuten waren. Fräulein Carla kam immer näher und legte ihren Kopf an meine Brust. Sie war da. Fräulein Carla war tatsächlich da. Bei mir, tanzend zu Mozarts Sinfonie. Minutenlang. Bis es zu Ende war. Alles Gute hat ein Ende. Oder eine Frage.
» Warum Oliver, warum hast du all das nur getan?«
Kapitel 17
So, wie sie mich das fragte, hörte es sich unnormal an. Als wäre es falsch gewesen, was ich getan habe.
Ich war ein wenig wü tend, weil Fräulein Carla die Stimmung kaputt machte. Irgendwie ging es sie ja auch nichts an. Aber sie bohrte immer wieder nach. Das war nervig.
» Was meinst du?«
» Na das mit deinen Eltern. Was haben sie dir getan, dass du so mit ihnen umgegangen bist? Ich möchte es nur verstehen können.«
Sie tanzte weiter. So als wä ren die Fragen belanglos und total unwichtig. Warum stellte sie Fräulein Carla dann?
» Ich weiß es nicht.«
» Du weißt es nicht, Oliver?«
» Nein.«
» Haben dir deine Eltern denn nicht Leid getan?«
Das machte mich verlegen. Leid tun kommt von leiden. Wenn ich wü sste, wie es ist zu leiden, hätte ich ihr antworten können.
» Was hat dir Dr. Klein erzählt?«
» Das mit deinen Eltern.«
» Was denn?«
» Na was du mit ihnen gemacht hast.«
» Was habe ich denn mit ihnen gemacht, Carla?«
Frä
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