Psychoid - Der Feind in Oliver
all diesen Augen, die mich verfolgten, kam ich mir vor wie ein Verbrecher.
» Schau mich an, Mama. Mama, schau doch her.«
Obwohl ich das Wort »Mama« sonst nie in den Mund genommen hatte, kam es mir vertraut vor. So ganz leicht von den Lippen. Es sollte kein Befehl sein, aber meine Mutter tat, worum ich sie gebeten hatte.
» Hallo«, sagte sie trocken und mit zittriger Stimme.
Ich konnte sie kaum verstehen.
» Wie geht es dir? Gehen sie hier gut mit dir und Papa um?«
Ich sorgte mich ein wenig. In solch einem kleinen Zimmer musste man verrückt werden.
» Das tun sie, was ist passiert?«
Was ist passiert? Wie meinte sie das? War überhaupt etwas passiert? Ohne dass ich meine Mutter fragte, redete sie weiter. Ich glaube, meine Mama konnte auch zwischen den Zeilen lesen.
» Was willst du hier? Was erhoffst du dir von deinem Besuch?«
Lä cherlich. Sie hatte wohl vergessen, wer ich bin.
» Ich weiß nicht. Freust du dich denn nicht?«
Was Besseres fiel mir nicht ein. Warum fragt eine Mutter ihren Sohn, was er von ihr will? Das habe ich nicht verstanden.
» Dein Vater wird auch gleich kommen.«
» Schön. Ich habe ihn schon vermisst.«
Meine Mutter grinste. Aber nicht so, als ob es ihr gefalle n hätte, was ich sagte. Vielmehr war es ein ignorantes Grinsen. Aber das war mir egal.
» Weißt du, ich habe sehr lange überlegt, ob ich diesem Besuch zustimme. Du hast uns ... sehr weh getan. Es ist nicht einfach...«
Meine Mutter stockte und hö rte mittendrin auf zu reden. So als ob ich Gewissensbisse haben müsste.
» Es tut mir Leid. Mama, es tut mir so Leid, was ich getan habe«, säuselte ich so wie der Mörder aus meiner Lieblingssendung.
Ich schaute auf ihre Füß e. Sie hatte blaue Socken an und weiße Sandalen. Darunter musste meine Mutter wohl verbrannte Haut haben. Gut, dass sie es versteckte, ich konnte solche Dinge nämlich nicht mehr sehen.
Meine Mutter weinte.
»Warum nur? Warum hast du uns das angetan?«
So sehr ich mich a uch anstrengte, ich hatte keine Antwort. So weinte ich einfach mit. Das letzte Mal hatte ich das bei Davids Tod getan.
Dann war es wieder gut.
Trä nen sind wie Gift im falschen Körper.
» Warum weinst du, verdammt?! Du hast keinen Grund dazu!«, schimpfte meine Mutter. Und sie hatte Recht. Ich sollte aufhören damit, sonst bin ich auch noch ein heulender Hampelmann, der blöde dastand. Das wollte ich nicht.
Es klopfte an der Tü r. Mein Vater kam mit seinem eigenen Pfleger ins Zimmer. Den beiden musste es hier aber so richtig gut gehen. Ich wusste nicht, dass auch er so böse gucken konnte wie Mama.
» Hallo, Papa...«
» Hallo!«
Mein Vater schnaufte und setzte sich zu Mama. Schö n, wie er ihre Hand hielt.
» Und?!«
Ich kam mir vor wie auf der Anklagebank. Was wollten die beiden jetzt von mir hören?
» Ich hoffe, euch geht’s hier gut.«
» Es geht uns hier prächtig, mein Junge!«
Mein Vater lachte lauthals los uns setzte einen Blick auf, mit dem er versuchte , mich zu töten. Hatte ich so das Gefühl.
Ich schaute auf seine Hä nde.
» Mir geht es auch gut.«
Ich dachte, es kö nnte sie interessieren. Im Moment ging es mir ja auch gut.
» Hast du vergessen, warum wir hier sind?! Wer dafür verantwortlich ist?! Warum ich diese kranken Visionen habe, und deine Mutter nicht mehr ohne Schmerzen leben kann? Vergessen?! Alles schon vergessen?!«
Mein Vater wurde pampig. Und sehr laut. Ich habe etwas Angst bekommen, als er nä her kam. Ich dachte, er würde mich schlagen.
Am besten auf die Gesäß backen.
» Tut mir Leid...«
Ich hatte mir die Begegnung anders vorgestel lt. Ich hasste es, mich ständig zu wiederholen.
» Ach, dem Sohnemann tut es leid. Gratuliere zu deiner Erkenntnis. Ich weiß nicht, was ich denken soll!«
Auf das Denken habe ich nicht so groß en Wert gelegt. Wenn ich gewusst hätte, dass es so schwierig werden würde, zu verzeihen, dann wäre ich in meiner Zelle geblieben.
» Sieh mich an. Was siehst du? Mama, wen siehst du?«
Meine Mutter hing wie eine Biene am Honig an meinem Vater. Ihr Gekreische machte mich wahnsinnig. Vor allem, weil ich nichts verstanden hatte. Aber das habe ich ihr nicht gesagt. Dafür konnte mein Vater umso deutlicher sein.
» Wir sehen dich ! Du bist nicht der Sohn, der seine Eltern respektiert! Das tust du beileibe nicht!«
Das tat ich wirklich nicht. Die Stimmung war komisch. Irgendwie war alles so fremd, obwohl es vertraut sein sollte.
» Was soll ich sagen?«
Ich wusste es wirklich nicht.
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