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Psychologische Homöopathie

Psychologische Homöopathie

Titel: Psychologische Homöopathie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip M. Bailey
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neigt Mercurius dazu, alles zu analysieren. Ständig steckt er Dinge, Ereignisse und Menschen in bestimmte Schubladen. Durch diesen Prozeß wird er zwar weise, aber er bleibt von anderen abgeschnitten. Selbst auf einer alltäglichen Ebene ist der Scharfsinn von Mercurius geeignet, ihn von anderen Menschen zu trennen. Meist empfindet er sich selbst als entweder über oder unter anderen Leuten stehend, und entsprechend verhält er sich. Infolgedessen kann er niemanden auf seiner eigenen Ebene treffen. Es ist eine Ironie des Schicksals, daß ein Mensch, der flexibel genug ist, so viele unterschiedliche Seinszustände zu erleben, daß er sie bei anderen Menschen sofort erkennt, unfähig ist, mit diesen Menschen in Kontakt zu kommen. Statt dessen wirkt er als Spiegel. Wie Shakespeares Narr spiegelt er andere Menschen wider, aber er kann keine Beziehung zu ihnen entwickeln. Nur wenn seine Liebe wächst, kann Mercurius wieder Anschluß an die Menschheit finden, und einige bemühen sich erfolgreich darum.
Ritual und magisches Denken
    Die Liebe zum Ritual ist ein höchst ungewöhnlicher Aspekt des Mercurius-Geistes. Ich habe sie verschiedentlich erlebt und als sehr charakteristisch empfunden. Das Ritual kann für Mercurius viele Formen annehmen. Es kann eine rituelle Zwangshandlung sein, wie man sie häufig in der Kindheit erlebt. Peter Sellers zum Beispiel mußte als Kind alles fünfmal tun. Er klopfte fünfmal an die Tür, rührte fünfmal im Tee und so weiter. Zahlen spielen bei den Ritualen von Mercurius oft eine Rolle (und ebenso bei seinen fixen Ideen). Auf einer bewußteren Ebene kann Mercurius versuchen, an Ritualen teilzunehmen. Der Mercurius-Dichter, der einmal vorübergehend von zwei fremden Wesenheiten besessen war, hat mir erzählt, er habe als Kind die fixe Idee gehabt, er nehme als Meßdiener am Ritual der Messe teil. Er fiel während des Rituals in einen tranceähnlichen Zustand, der nach Aussagen seiner Freundin mehr dämonisch als spirituell war. Sie kannte ihn von Kindheit an und war in dieselbe Kirche gegangen. Sie sagte mir, es sei etwas »Krankhaftes« daran gewesen, wie er während der Messe aussah. Sie habe das Gefühl gehabt, er sauge Energie aus dem Ritual, um sich selbst mit mehr Macht auszustatten. Ein anderer Mereurius-Patient sagte, er sei immer von Ritualen fasziniert gewesen, und als er die Chance bekam, nahm er an einem zeremoniellen magischen Wochenende teil. Er sagte, er habe sich bei den verschiedenen Ritualen an diesem Wochenende sehr heimisch gefühlt und auf seltsame Weise einen Machtzuwachs empfunden. Er setzte diese Aktivitäten später nicht fort, aber er hatte das Gefühl, sie seien für sein seelisches Wachstum wichtig gewesen.
    Auch die junge Frau, die so gut auf Mercurius reagierte und darum kämpfte, wieder zu einem soliden Selbstgefühl zu finden, verließ sich stark auf das Ritual, um ihre zerstreuten Einzelteile wieder zusammenzufügen. Sie war sehr vertraut mit Symbolik und Mythologie, und sie benutzte dieses Wissen, um ihre Rituale zu strukturieren. Ein einfaches Ritual bestand für sie beispielsweise darin, Skulpturen aus Muscheln herzustellen, wenn sie sich in ihrem Leben einer neuen Situation gegenübersah. Die Skulptur repräsentierte die Bedeutung oder Essenz der Situation für sie. Sie sagte, es helfe ihr, »die Energie der Situation zusammenzuhalten«, und dann fühle sie sich weniger davon bedroht. Wenn sich ihre eigene Einstellung zur Situation veränderte, stellte sie die Skulptur an einen anderen Platz in ihrem Zimmer oder nahm sonst eine Veränderung daran vor. Diese Art von Ritual klingt für viele Leute verrückt, aber es hatte für die junge Frau eine lebenswichtige Funktion. Ihr eigenes Selbstgefühl hing stark von der Umgebung ab, was dazu führte, daß sie entweder Angsthatte oder sich verwirrt fühlte oder beides. Sie benutzte das rituelle Objekt als eine Art geistiges Gerüst, um sich über die Bedeutung der Situation klar zu werden (als ob sie sich mit einem möglichen Partner beraten würde), und auf diese Weise konnte sie verhindern, daß sie selbst völlig in der jeweiligen Situation aufging. Mercurius hat ein Bewußtsein, das sehr stark zerfließt. Wahrscheinlich stellen sowohl bewußte als auch automatische Rituale eine Möglichkeit dar, wie sich Mercurius eine Art psychischer Struktur bewahren kann.
    In engem Zusammenhang mit der Vorliebe für Rituale steht Mercurius' Neigung zum magischen Denken. Naturvölker und Kinder haben eine Tendenz zum

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