Psychologische Homöopathie
dazu versagt wird, sei es durch äußere Umstände oder durch eigene Fehler, dann geht es ihnen meist schlecht.
Der Homöopath, dem eine selbstsichere Karrierefrau im Sprechzimmer gegenübersitzt, muß sich im wesentlichen zwischen Nux, Ignatia und Natrium muriaticum entscheiden. Natrium kommt von diesen dreien am häufigsten vor, und Nux ist selten im Vergleich zu Ignatia. Im Gegensatz zu den beiden anderen ist Nux nicht sentimental. Ihre Härte ist keine Reaktion auf emotionalen Schmerz, und deshalb handelt sie meist weniger »reaktiv« als die beiden anderen. Die harte Natrium- oder Ignatia-Karrierefrau ist im allgemeinen beispielsweise sehr defensiv, wenn sie kritisiert wird. Die Nux-Frau kann in derselben Situation ärgerlich werden, aber ihr Ärger ist nicht mit Furcht gemischt, und wie ihr männliches Gegenstück wird sie den Kritiker entweder ignorieren oder fertigmachen. Wenn er zwischen diesen drei Typen zu unterscheiden hat, ist der Homöopath gut beraten, sich nach ihrer Kindheit zu erkundigen. Hier wird die Emotionalität und Verletzlichkeit von Natrium und Ignatia meist offensichtlich, im Gegensatz zur ruhigen Entschlossenheit des Nux-Mädchens.
Körperliche Erscheinung
In Übereinstimmung mit der durchdringenden Art der Nux-Psyche haben die meisten Nux-Menschen ein markantes Äußeres. Das im allgemeinen etwas längliche Gesicht hat scharfe Züge, besonders die Nase, die oft ziemlich spitz ist. Die Gesichtszüge sind eher knochig als rund und spiegeln so den scharfen Intellekt; das Kinn ist fest und bestimmt als Ausdruck der Entschlossenheit. Die Augen haben einen durchdringenden Blick, der meist entwaffnend wirkt.
Der Nux-Körperbau ist in der Regel schlank und drahtig oder muskulös. Viele Nux-Typen sind überdurchschnittlich groß. Ihr glattes Haar ist im allgemeinen dunkel oder rötlich, obwohl auch jede andere Haarfarbe möglich ist. Der Schauspieler Clint Eastwood ist auch in seiner körperlichen Erscheinung ein gutes Beispiel für diesen Typ.
Phosphorsäure (Acidum phosphoricum)
Grundzug: betäubte Gefühle
Phosphorsäure oder Acidum phosphoricum gilt im allgemeinen als ein akutes oder subakutes Mittel zur Behandlung von Kummer und Erschöpfung. Mir sind aber mehrere Patienten begegnet, die offensichtlich während des größten Teils ihres Lebens zu diesem Mittel in Resonanz standen, und da sie sowohl geistig als auch körperlich eine Reihe gemeinsamer Züge aufwiesen, betrachte ich Phosphorsäure nicht nur als Arznei für akute Beschwerden, sondern auch als seltenen, aber klar umrissenen Konstitutionstyp.
Der charakteristischste Zug der Geistessymptome von Acidum phosphoricum ist eine merkwürdige emotionale Neutralität. Das ist ein grundlegenderes und anormaleres Stadium der emotionalen Starre als die Apathie von Sepia, die vorübergehende Erschöpfung von Phosphor und die emotionslose Rationalität von Kalium. Die Empfindung von Neutralität ist so vollständig und so durchgehend, daß der Patient sagt: »Es ist so, als würde ich gar nicht leben.« Er erlebt überhaupt keine Emotionen (außer gelegentlicher Furcht) und fühlt sich wie ein Geist, der durch ein unwirkliches Leben treibt, dessen Anforderungen er fast wie ein Automat erfüllt (Kent: »wie im Traum«), ohne jede Motivation und ohne jede Befriedigung. Obwohl der Intellekt manchmal mitbetroffen sein kann, liegt die Pathologie von Acidum phosphoricum ursprünglich auf der emotionalen Ebene. Er kann lange Zeit sein Leben äußerlich gut bewältigen und doch innerlich nichts fühlen: kein Glück, keine Liebe, keine Trauer – nur eine Leere, wo die Gefühle sein sollten, und er weiß, daß diese Leere ungesund und anormal ist.
Kummer und enttäuschte Liebe
Bei jedem Fall von Acidum phosphoricum oder Phosphorsäure, den ich erlebt habe, ging dem pathologischen Stadium irgendein schwerwiegender Kummer voraus (Kent: »Beschwerden durch Kummer«), Einige Patienten hatten sich bis zur Trennung von ihrem jeweiligen Partner bzw. ihrer Partnerin ganz normal gefühlt, aber von diesem Moment an wurden ihre Emotionen allmählich »stillgelegt«. (Dasselbe kann Natrium muriaticum passieren, aber nichtin diesem extremen Ausmaß.) Die Patienten konnten sich also an Zeiten erinnern, in denen sie Trauer und Freude empfunden hatten, und folglich waren sie sich der Tatsache bewußt, daß etwas mit ihnen nicht stimmte. Daraus entwickelte sich eine Art von Unbehagen, eine gewisse Angst, deren sie sich während der meisten Zeit vage bewußt waren
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