Psychologische Homöopathie
und wenn sie in einem dunklen Zimmer aufwachen, sehen sie Monster in der Dunkelheit (viel lebhafter als die dunklen Schatten, die andere Kinder wahrnehmen), und sie schreien auch noch, lange nachdem die Eltern ins Zimmer gekommen sind, um sie zu beruhigen. Stramonium erlebt nachts entsetzliche Schrecken, Alpträume, die sich noch fortsetzen, wenn das Kind aufgewacht ist und dann manisch in die Dunkelheit starrt und schreit, als ob es um sein Leben ginge.
Erwachsene Stramoniums neigen mehr als jeder andere Konstitutionstyp dazu, Gesichter, Gestalten und Gespenster zu sehen (Kent: »sieht Tiere, Gespenster, Engel und die Geister Verstorbener«). Eine Stramonium-Patientin,die als multiple Persönlichkeit diagnostiziert worden war, sagte, sie habe von jeher kleine Menschen oder fremdartige Gestalten wahrgenommen, die niemand sonst habe sehen können. Wenn es dunkel ist, hat Stramonium diese Halluzinationen häufiger, und sie sind lebhafter. Manchmal hat sie Angst vor ihnen, weil sie dämonisch oder gefährlich wirken, aber es kann auch sein, daß sie ihnen wenig Beachtung schenkt.
Es ist merkwürdig, daß Stramonium die Dunkelheit und das Böse nicht nur fürchtet, sondern auch davon fasziniert ist. Das gilt besonders für Stramonium-Jungen und wahrscheinlich genauso für Stramonium-Männer. Die Jungen bekommen Angst, wenn sie eine Gruselgeschichte für Kinder im Fernsehen gesehen haben, und können dann nicht einschlafen, weil sie schreckliche Visionen haben, die sich aus den Fernsehbildern entwickeln. Gleichwohl geben sie zu, daß sie Gespenster, Monster und Gewalt faszinierend finden. Ein Stramonium-Junge kann sich ohne weiteres mit einer Schreckensgestalt identifizieren, die er gesehen oder von der er gehört hat, und nachdem er seinen Hamster mit dem Küchenmesser enthauptet hat, wird er ganz ruhig erklären, das sei nicht er selbst, sondern der Henker aus dem Videofilm gewesen. Was Stramonium so gefährlich macht und ihm den Ruf des Gewalttäters eingetragen hat, ist dieser plötzliche Wechsel vom Opfer schrecklicher Visionen zum Täter, der von diesen Visionen gelenkt wird.
Wut und Sexualität
Es gibt keinen gewalttätigeren Typ als Stramonium. Das Stramonium-Kind hat Wutanfälle, die sich stark von denen anderer aggressiver Typen wie Tuberculinum und Nux unterscheiden. Letztere schreien und schlagen, aber Stramonium-Kinder beißen und stechen gezielt zu. Wenn Stramonium »ausrastet«, gibt es kein Halten mehr. Seine Wut grenzt an Wahnsinn, und er hat dabei oft das eindeutige Bedürfnis, zu verstümmeln oder zu töten. Diejenigen Stramonium-Patienten, die in homöopathische Behandlung gebracht werden, sind gewöhnlich die meiste Zeit ruhig, aber sie sprechen auf eine seltsam distanzierte Weise über den Wunsch zu töten, wenn sie wütend sind, und geben zu, daß sie sich in solchen Situationen nicht mehr unter Kontrolle haben. Diese distanzierte Art hat etwas Unheimliches, besonders bei kleinen Kindern. Stramonium-Kinder starren einen im Sprechzimmer auf eine Weise an, die entnervend und völlig furchtlos ist. Sie sprechen intelligent und oft zurückhaltend über ihre Ängste und Haßgefühle, als würden sie über Labordaten reden. Obwohl sie zugeben, daß sie mit der Schere auf ihre Muttereingestochen haben, fühlen sie danach offenbar keine Reue. Sie schalten einfach von der Wut zur Normalität zurück, als sei nichts geschehen.
Die erwachsenen Stramonium-Frauen, die ich behandelt habe, neigten alle zu intensiven Wutgefühlen, hatten sich aber meist so weit unter Kontrolle, daß sie sie nicht ausagierten. Ihre Wutgefühle waren der Grund, warum sie einen Homöopathen konsultierten. Diese Frauen liegen wahrscheinlich am geistig gesünderen Ende des Stramonium-Spektrums, während die meisten anderen weniger Kontrolle über sich haben und ihr Leben in Institutionen verbringen. Es stimmt im allgemeinen, daß die männlichen Vertreter eines potentiell geisteskranken Konstitutionstyps mehr Wut und Sexualität ausdrücken als ihre weiblichen Entsprechungen, und das ist wahrscheinlich der Grund, warum mir keine erwachsenen Stramonium-Männer begegnet sind. Wer eine psychiatrische Anstalt besucht, wird dort zweifellos viele Stramonium-Patienten finden, und wahrscheinlich sind sie noch häufiger in den psychiatrischen Hochsicherheitstrakten von Gefängnissen.
Die Wut, die Stramonium empfindet, richtet sich oft nicht gegen einen bestimmten Menschen. Es wirkt eher so, als sei er von einer völlig unpersönlichen Macht
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