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Psychologische Homöopathie

Psychologische Homöopathie

Titel: Psychologische Homöopathie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip M. Bailey
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den höheren Reichen der Philosophie, der Mythen und Legenden. Nichts könnte den Unterschied zwischen dem reduktionistischen Verstand von Arsenicum (oder Kalium) und dem synthetisierenden Geist von Sulfur besser verdeutlichen als die Theorien von Freud und Jung über Mythen und Legenden. Freud glaubte, daß alte Legenden, die Jahrtausende überdauert hatten, der Versuch des Menschen sind, seine animalischen Instinkte darzustellen und ihnen einen Sinn zu verleihen, besonders seiner Aggression und seinen sexuellen Impulsen. Im Gegensatz dazu meinte Jung, der sein Leben lang die Mythologie studierte, Legenden seien die spontanen Produkte des kollektiven Unbewußten und enthielten verborgene Weisheit, die darauf warte, von sensiblen Geistern entdeckt zu werden. Jungs Ziel war ein System der Psychotherapie, aus dem »selbstverwirklichte« Individuen hervorgehen sollten, das heißt Menschen, die sowohl zur kosmischen Ebene als auch zur mythischen Ebene der Dichter und der Heiligen Zugang haben. Im Vergleich dazu hatte Freud ein bescheideneres Ziel: Er strebte eine Therapie an, die »volle Genitalität« herstellen sollte, so daß der betreffende Mensch die sexuelle Beziehung zu seinem Partner oder seiner Partnerin uneingeschränkt genießen konnte.
    Ebenso bezeichnend sind die Meinungen, die diese beiden großen Denker im Hinblick auf die psychologischen Abwehrmechanismen vertraten. Freud sah die Neurose als Schwächung der erwünschten Abwehrmechanismen und versuchte, mit seiner Therapie die Abwehr des Patienten gegen seine unterbewußten Triebe zu stärken. (Diese Abwehr ist bei niemandem stärker als beiArsenicum.) Im Gegensatz dazu sah Jung psychologische Abwehrmechanismen als Blockaden gegen die erleuchtenden Erfahrungen des kollektiven Unbewußten. Er versuchte, seine Patienten in das unbekannte Terrain jenseits ihrer Verteidigungswälle zu führen. Wie die meisten Sulfurs war Jung ein Forscher und Visionär, und er war bestrebt, seine Patienten auf eine phantastische Entdeckungsreise mitzunehmen.
    Jungs gesammelte Werke zu lesen ist eine hervorragende Einführung in die Art, wie ein Sulfur-Genie denkt. Jung verbindet einzelne Informationsfäden aus verschiedenen Quellen und webt daraus ein schwindelerregend kompliziertes Bild der Psyche. Seine erschöpfende und subtile Analyse der Symbole reicht aus, um den engagierten Studenten jahrelang schwitzen zu lassen bei dem Versuch, das alles in seiner vollen Bedeutung zu verstehen, ohne daß er dabei je bis zu Jungs Abhandlungen über die »Komplexe«, Persönlichkeitstypen und eine Fülle anderer, ähnlich detaillierter und abstrakter Themen kommen würde. Genauso schwierig ist es für den gewöhnlichen Sterblichen (oder sogar den gewöhnlichen Intellektuellen), die enorme Bedeutung der Theorien eines anderen Sulfur, Albert Einstein, zu erfassen, und sogar die Mysterien des Organon und anderer Werke des Begründers der Homöopathie, Samuel Hahnemann, machen dem Leser Mühe, wenn seine grauen Zellen all diese abstrakten Theorien aufnehmen sollen.
    Keine Abhandlung über Sulfur wäre vollständig, ohne Hahnemann selbst zu berücksichtigen. Der Begründer der Homöopathie war zweifellos ein intellektuelles Genie, und er zeigte eine Menge von klassischen Sulfur-Persönlichkeitszügen. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß Sulfur der Grundstein des therapeutischen Arsenals von Hahnemann war. Homöopathen haben schon seit langem erkannt, daß sie ihren eigenen Konstitutionstyp meist ungewöhnlich oft unter ihren Patienten finden.
    Hahnemann hatte ein umfassendes Wissen über viele Gebiete jenseits der konventionellen Medizin seiner Zeit. Er hatte die Schriften der alten Ärzte wie Hippokrates und Paracelsus studiert, und er interessierte sich sehr für die philosophischeren Aspekte der Krankheit, was man feststellen kann, wenn man das Organon und Die chronischen Krankheiten liest. Hahnemanns nachdrücklicher Hinweis darauf, man müsse die »Lebenskraft« des Patienten stärken, ist ein Beispiel für Sulfurs Fähigkeit, abstrakte und konkrete Informationen zu einem Ganzen zu verschmelzen. Weil er einen Blick für das Ganze hatte, wenn er die Gesundheit eines Patienten betrachtete, konnte Hahnemann eine so mächtige therapeutische Methode entwickeln, die das psychische und allgemeine Wohbefinden des Patienten höher bewertet als die meisten anderenTherapien. Wenn Homöopathen Hahnemanns konstitutionellen Ansatz aufgeben, haben sie bei ihren Patienten wahrscheinlich weniger

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