Psychologische Homöopathie
unter mangelndem Selbstvertrauen leidet, so daß das Kind diesen Mangel durch sein Beispiel ebenfalls entwickelt. Das Kind mag zwar bessere Chancen haben als seine Eltern, es wird vielleicht auch stärker ermutigt, und deshalb erreicht es im Leben auch mehr als seine Eltern. Trotzdem wird es die nagende Angst vor dem Versagen behalten, weil der kleine Junge während der persönlichkeitsbildenden Jahre die Angst seines Vaters sozusagen durch psychische Osmose absorbiert hat.
Ganz gleich wie die Situation in der Kindheit war, wird der Lycopodium-Mensch, dem es bei seiner Arbeit und in seiner Partnerschaft gutgeht, im Hintergrund meist die permanente Sorge haben, daß er geschäftlich Bankrott erleiden oder daß seine Ehe zerbrechen könnte. Auch hier gibt es wieder Ähnlichkeiten mit Natrium, der gerade dann, wenn alles im Leben glatt läuft, mit dem Schlimmsten rechnet. Der Unterschied zwischen beiden ist subtil, aber wichtig. Lycopodium erwartet insgeheim, daß er versagt, während Natrium erwartet, daß er unglücklich sein wird. Lycopodium ist glücklich (und erleichtert), solange er alles gut bewältigt, während Natrium trotz seiner offensichtlichen Erfolge im Inneren oft unglücklich ist, weil er sich als Kind trotz seiner guten Leistungen ungeliebt fühlte.
Wegen seiner Angst zu versagen leidet Lycopodium unter Erwartungsängsten. Vor einem wichtigen Gespräch wird er in großer Sorge sein, er könnte einen Fauxpas begehen (Kent: »Er hat Angst, daß er Fehler machen könnte«), und er wird seine Angst als Übelkeit und Unwohlsein im Magen spüren. Lycopodium bewältigt die Dinge gewöhnlich besser, als er selbst erwartet, denn sein Gefühl der Unzulänglichkeit hat nichts mit einem Mangel an Fähigkeiten oder Vorbereitung zu tun, sondern mit einer » Verlierer«Situation in der Kindheit. Mit der Zeit lernt er vielleicht, seine Erwartungsängstezu ignorieren, und stellt sich mehr und mehr auch den Herausforderungen öffentlicher Auftritte, etwas, was er ursprünglich am meisten gefürchtet hat.
Der Gefällige
Nichts stärkt das Selbstvertrauen mehr als Popularität. Das Lycopodium-Kind lernt von früh auf, sich einzuschmeicheln, um bei seinen Altersgenossen beliebt zu sein. Er wird die Phrasen und das Verhalten imitieren, um den anderen zu gefallen; er wird alle möglichen Forderungen erfüllen, sowohl bei den brutalen Typen als auch bei den anderen, die gerade lernen, wie man am besten seinen Willen durchsetzt; und er wird im allgemeinen versuchen, nett zu sein. Natrium-Kinder sind entsetzt, wenn ihre Freunde sie zurückweisen. Lycopodium ist entsetzt, wenn irgend jemand ihn nicht mag, selbst wenn es ein völlig Fremder ist. Er entwickelt eine gewisse Toleranz (Kent: »Milde«), weil er Angst vor Konfrontationen hat, und er gibt um des lieben Friedens willen eher nach. In extremen Fällen kann daraus ein kriecherischer Speichellecker werden, dessen verzweifelte Versuche, es den anderen recht zu machen, in einem direkten Verhältnis zu seiner Angst vor Strafe stehen. Und die Strafe, die er am meisten fürchtet, ist oft die soziale Zurückweisung.
In seinem Bemühen, beliebt zu bleiben, wird der Lycopodium-Mann sich selbst untreu, um seinen Freunden zu gefallen. Gewöhnlich hat er eher eine größere Zahl guter Bekannter als einige wenige enge Freunde wie Natrium. Es ist sehr charakteristisch für Lycopodium, daß ihm seine Freunde wichtiger sind als seine Familie. Obwohl es sich nicht um enge Freundschaften handelt, wird er alles tun, um in ihrer Gunst zu bleiben. Dabei vernachlässigt er oft seine Familie, weil er sich auf deren Loyalität ja schon verlassen kann. Ich kannte einmal einen Tennistrainer, der wie die meisten Lycopodium-Mensehen sehr leutselig war. Er war mit einer seit langem leidenden Natrium-Frau verheiratet, die ihn nur selten zu sehen bekam. Auf seinen Wunsch hin hatten sie sich von der Stadt, in der die Familie lebte, in eine kleine Kreisstadt zurückgezogen. Eines Tages sprachen wir darüber, welche Vorzüge das Stadt- bzw. Landleben hat, und seine Frau machte deutlich, daß sie sich so weit weg von der Familie unglücklich fühlte und nur auf sein Drängen fortgezogen war. Mein Lycopodium-Trainer antwortete, er könne überall glücklich sein, denn er sei gerne mit jedermann Freund und lasse sich mit niemandem zu nahe ein. Wann immer ihn jemand abends zu einer Runde Tennis einlud, nutzte er die Chance, mit anderen zusammenzusein (und zu tun, waser gut konnte – Tennis spielen), und
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