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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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Hungers kannte, vermochte dieses Wissen nicht, ihn zu vertreiben.
    Etwas in seiner Psyche war grundlegend missgebildet. Sein Verlangen nach Intimität war eine gierige, unersättliche Bestie, die verzweifelt und unablässig geliebt und in den Arm genommen werden wollte, auf dass sie nicht in der schrecklichen Angst ertrank, die er empfunden hatte, wenn er sich wieder und wieder fragen musste, welche Mutter ihn an jenem Tag, zu jener Stunde, in jener Minute zu Hause erwarten würde – der Engel oder der Teufel.
    »Hattest du viele interessante Fälle?«, erkundigte sich seine Mutter.
    »Ein paar«, sagte Jonah. Er lächelte trotz seiner Schmerzen. »Einen Jungen namens Sam Garber. Er war der interessanteste Fall. Ein sehr tapferer Junge mit sehr großen Problemen.«
    »Und du hast ihm geholfen.« Sie sah ihn liebevoll an. »Ich bin sicher, dass seine Eltern dir dankbar waren.«
    »Nein«, erwiderte Jonah. »Ich konnte ihm nicht helfen.«
    »Aber, aber. Du bist immer so unerbittlich mit dir selbst.«
    Er schüttelte den Kopf. Ihm waren Tränen in die Augen gesprungen.
    »Jonah? Was ist passiert?«
    Er hörte weitere Autos die Straße hinaufkommen. Er stand auf und ging zur Tür, sah zwei schwarze Transporter – Transporter des mobilen Einsatzkommandos – neben dem Streifenwagen halten. Und er schaute zu, wie schwarz gekleidete Männer mit Gewehren aus ihnen heraussprangen. Er wandte sich wieder zu seiner Mutter um. »Könnte ich wohl noch eine Tasse Tee haben?«, bat er sie. »Dann erzähle ich dir alles.«
    Sie stand mühsam auf und verzog das Gesicht, als die Schmerzen in ihren Gelenken aufflammten, während sie auf ihren diabetesgeschädigten, schwärenden Füßen in die Küche schlurfte, weil ihr Sohn, den sie liebte, eine zweite Tasse Tee haben wollte. Und dies war ihre größte Freude nach einem langen, qualvollen Leben. Dies war es, worauf sie wartete, wenn er unterwegs war. Die Gelegenheit, eine Tasse Wasser aufzubrühen, einen Teebeutel darin ziehen zu lassen, ein wenig Zucker und Honig hineinzugeben, ganz wie er es mochte. Sein Bettzeug zu waschen. Seine Kleidung zu bügeln. Alltägliche Dinge, doch bedeutsame Dinge. Liebevolle Dinge. Kleine, grenzenlose Entschuldigungen für das, was sie gewesen war, für ihr grausames Versagen als Mutter.
    Ihr wurde heiß und schwindelig, als sie am Herd stand, und sie wich einen Schritt zurück. Sie wischte sich die Stirn ab. Vielleicht war ihr Zuckerspiegel zu niedrig, überlegte sie. Vielleicht würde ein klein wenig von dem Honig helfen. Sie holte einen Teelöffel aus der Küchenschublade, tauchte ihn indas Glas und schob sich das süße, klebrige Zeug zwischen die Lippen. Es schmeckte gut, und sie fühlte sich gleich besser.
    Als sie sich umdrehte, stand Jonah vor ihr, mit einem Messer in der Hand.
    »Jonah?«, sagte sie. »Was machst du denn da?« Doch sie wusste es.
    Er trat dichter heran und schlang seine Arme um sie.
    Ihr wurde jetzt noch schwindeliger. War das der Grund, weshalb sie nicht versuchte wegzulaufen?, fragte sie sich im Stillen. Oder war es, weil sich die Umarmung ihres Sohns so gut anfühlte? Denn sie war wirklich müde, und er hatte ihr wirklich gefehlt, und sie liebte ihn wirklich von Herzen.
    Plötzlich schien gleißendes Licht durch die Fenster herein. Und Jonah ertappte sich dabei, dass er schützend seine Hand über die Augen seiner Mutter legte. Er fragte sich, ob dieser Reflex, dieser Beschützerinstinkt tief in seinem Gehirn verankert war. Der instinktive Drang eines Kindes, seine Blutsverwandtschaft vor Schaden zu bewahren. Oder vielleicht war es nur eine der vielen Täuschungen des Teufels, dazu gedacht, ihn abzulenken, ihm den Mut zu nehmen.
    Einen Moment später drang Clevengers Stimme an Jonahs Ohr, wie in einem Traum. »Jonah, hier spricht Frank Clevenger. Kommen Sie heraus, und es wird Ihnen nichts passieren.«
    Vielleicht war sein ganzes Leben ein Traum gewesen, dachte Jonah bei sich. Vielleicht würde jeden Moment der Morgen anbrechen. Er trug seine Mutter aus der Küche ins Wohnzimmer und setzte sie auf das Sofa. Sie wehrte sich nicht, bettelte nicht.
    »Jonah«, brüllte Clevenger. »Es gibt keinen anderen Ausweg.«
    Jonah langte an seine Wade und zog McCormicks Pistole. Er zielte auf eins der Fenster nach vorn heraus, zog den Abzug durch, und das Glas zersplitterte. »Ich wusste nicht, dassSie Hausbesuche machen, Frank«, rief er. »Ich fühle mich geehrt.«
    »Es muss nicht auf diese Weise enden.«
    »Natürlich muss es das.

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