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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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oder diesem Leben und dem nächsten, fühlte er plötzlich, wie die Sonne strahlend auf sein Gesicht schien. Er fühlte, wie die Luft sauber und frisch und kühl wurde. Die Schmerzen verflogen. Und er stellte fest, dass er überhaupt nicht mehr atmen musste.
    Er blickte auf und sah, dass seine Finger tief in den Felsspalten des schönsten Berges steckten, den er je bestiegen hatte. Er sah mit Erstaunen, dass die Narben an seinen Armen verschwunden waren.
    Die Muskeln seiner Arme und Schenkel und Waden trieben ihn höher hinauf. Seine Füße fanden überall sichere Felsvorsprünge.
    Er wusste, dass er schon lange kletterte, doch er war nicht müde. Um genau zu sein, fühlte er sich mit jedem Schritt kräftiger. Kräftiger und jünger. Er streckte seinen rechten Arm aus und reckte sich noch höher hinauf, während er sich mit der linken Hand festhielt. Sein Verstand klärte sich. Er suchte in sich nach Gefühlen von Angst oder Wut, doch er konnte keine finden.
    Mit jedem Schritt, den er machte, streifte er ein Jahr seines Lebens ab, und als er dem Gipfel näher kam, fühlte er sich ganz kindlich und zauderte schüchtern, die Reise zu beenden. Was würde aus ihm werden, wenn er ganz bis ins Säuglingsalter zurückkletterte? Was würde er dann sein, ohne seine Lebensgeschichte?
    Wie sollte er sich selbst erkennen?
    Und dann begriff er. Er musste jenes Selbst mit all seinem Zorn und all seiner Angst und all seinem überlegenen Wissen loslassen. Er musste das reine Licht jenseits davon finden.
    Plötzlich empfand er völligen Frieden. Er war eins mit sich und dem Universum. Denn er wusste in jenem Moment, dass ihm sein Wunsch gewährt worden war. Er hatte die Chance, wiedergeboren zu werden. Er war am Ziel angekommen.
    Endlich war seine Heilung in Sicht.
     
     

6
     
    Richter Robert Barton, einer der unerbittlichsten und klügsten Richter von Massachusetts, blickte auf die Stapel von Unterlagen vor ihm, nahm seine Halbbrille ab und starrte in den Gerichtssaal. Er war ein Berg von einem Mann, breitschultrig, vierschrötig, mit einer Stentorstimme und durchdringenden Augen. Er schaute zu Clevenger und Billy am Tisch der Verteidigung herüber, dann sah er wieder auf seine Stapel von Unterlagen.
    Barton hatte Richard O’Connor zugehört, der die Position des Jugendamtes dargelegt hatte, dass Clevengers Vormundschaft für Billy Bishop bis auf weiteres einer Bewährungsprobe unterzogen werden solle, zumindest bis Ablauf einer dreimonatigen »Abkühl«-Phase, während derer Billy in einer Pflegefamilie untergebracht und einer eingehenderen psychologischen Beurteilung unterzogen werden würde. Und Barton hatte zugehört, als Sarah Ricciardelli Beweismittel dafür vorgestellt hatte, dass Billy in Wirklichkeit achtzehn war und damit nicht mehr der Obhut des Jugendamtes und des Gerichts unterstand.
    Im Gerichtssaal war es mucksmäuschenstill. Die Zeit für Bartons Entscheidung war gekommen.
    »Dr. Clevenger«, begann Barton. »Ich möchte offen mit Ihnen sein. Meiner Ansicht nach ist der Adoptionsantrag, den Sie ausgefüllt haben, rein formell gesprochen, korrekt. Aber ich denke, es ist offensichtlich, dass Sie die Fragen den Buchstaben des Gesetzes entsprechend und nicht seinem Sinn nach beantwortet haben.«
    Clevenger sank der Mut.
    »Sie hatten mit Drogensucht zu kämpfen, stimmt das?«
    Clevenger warf einen Blick zu Sarah Ricciardelli.
    »Es ist nicht nötig, sie zu fragen, was Sie sagen sollen«, erklärte Barton. »Rücken Sie einfach mit der Sprache raus.«
    »Euer Ehren, ich ...«, setzte Ricciardelli zu einem Einspruch an.
    »Ja, hatte ich«, fiel Clevenger ihr ins Wort.
    »Ebenso wie Billy Bishop seit kurzem«, sagte Barton.
    »Ja, hat er.«
    Barton nickte.
    Richard O’Connor strahlte.
    »Und wie ist Ihre Einstellung dazu? Dass die Liebe über alles siegt?«
    Clevenger überlegte, das Entzugsprogramm zu beschreiben, das Billy gerade abgeschlossen hatte, und noch mal zu betonen, dass er selbst in dem Moment aufgehört hatte, Drogen zu nehmen, als er sich für Billys Adoption entschieden hatte, und dass er nicht ein einziges Mal rückfällig geworden war. Aber all das hatte Ricciardelli bereits in der Beweisaufnahme dem Gericht dargelegt. »Ich denke, Liebe kann eine Menge bewirken«, sagte er. »Ich ...«
    Ricciardelli fasste ihn am Ellbogen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
    Er machte einen Schritt von ihr weg und auf Billy zu. »Tatsache ist, ich liebe ihn«, erklärte er Barton. »Vielleicht hat diese Liebe ihre

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