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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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können?«
    »Ich muss bereit sein, über meinen Schatten zu springen. Denn letzten Endes verlange ich sogar noch mehr von ihm. Ich werde ihn auffordern, seine Freiheit aufzugeben.«
    »Was ist die eine Sache, die Sie um keinen Preis enthüllen würden?«
    Clevenger lächelte. »Sie zuerst.«
    McCormick verweigerte eine Antwort. »Ich will auf Folgendes hinaus: Was immer es sein mag, es ist Ihr letzter Trumpf, Ihr Ass im Ärmel. Spielen Sie es nicht zu früh aus.«
    »Ein guter Rat.«
    »Gelegentlich überrasche ich mich selbst.« Einen Moment lang herrschte Schweigen. Sie legte ihre Gabel hin und sah ihn an, neigte dabei ihren Kopf auf eine sehr attraktive, sehr feminine Art. »Okay, ich zuerst.«
    Er dachte, sie würde einen Witz daraus machen. »Sind Sie sicher, dass Sie Ihr Trumpf-Ass so früh ausspielen wollen?«
    »Warum nicht?« Sie errötete auf die gleiche attraktive Art wie eine Woche zuvor in Quantico. »Mein Vater ist ein so übermächtiger Mensch in meinem Leben gewesen, dass kein anderer Mann dem Vergleich mit ihm standhält.«
    Clevenger verblüffte diese Offenbarung.
    »Ich meine, es ist eindeutig nichts Sexuelles«, fügte sie eilig hinzu. »Aber er ist ein so begabter Mann. Er hat so viele interessante Facetten. Und er ist immer sehr fürsorglich gewesen. Wenn mir etwas auf der Seele liegt, hört er mir zu. Und er hört wirklich zu.«
    »Und das haben Sie bei niemandem sonst finden können.«
    »Ein paarmal dachte ich, ich hätte, aber es hielt nie lange. Irgendwie scheint es so, als würden Männer, sobald man erst mal mit ihnen ins Bett gegangen ist, emotional den Riegel vorschieben, statt sich zu öffnen. Ich weiß nicht, ob das an mir oder an ihnen liegt. Und ich weiß nicht, ob es für alle Männer gilt oder nur für die, die ich mir aussuche.«
    »Wen suchen Sie sich üblicherweise aus?«, wollte Clevenger wissen.
    »Chirurgen, schon seit dem Medizinstudium«, sagte sie.»Einen Neurochirurgen. Einen Schönheitschirurgen. Einen Augenspezialisten. Sogar einen Fußspezialisten.«
    »Alles nicht gerade Sparten, die fürs Zuhören berühmt sind.«
    Sie atmete tief durch. »Vielleicht wäre ich ja bereit, mich mit weniger zu begnügen, wenn ich nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit meines Vaters genossen hätte.«
    »Oder vielleicht hätten Sie, wenn Sie sich nicht mit weniger begnügen würden, das Gefühl, ihn aufs tote Gleis abzuschieben, ihn zu verraten.«
    Das traf. »Möglich ...«
    »Aber letztendlich zählt nur eins – Sie müssen sich überhaupt nicht mit irgendetwas begnügen«, sagte Clevenger und war selbst überrascht von der offensichtlichen Zuneigung in seiner Stimme.
    In ihren Augen stand deutlich zu lesen, dass sie es gern hörte. »Sie sind dran«, drehte sie den Spieß um. »Was ist die eine Sache, die Sie nicht in der New York Times veröffentlichen würden?«
    Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Ich denke, dass ich von meinem Vater geschlagen wurde ...« Er biss sich auf die Zunge und zwang sich, die tatsächliche, im hintersten Winkel seines Bewusstseins verborgene Wahrheit zu betrachten. »Ich glaube, er hat mich daran zweifeln lassen, ob ich irgendetwas wert war – als Mensch. Als Mann. Ich glaube, mein ganzes Leben ist ein einziger Versuch zu beweisen, dass ich etwas wert bin.«
    »Nur Sie?«, fragte sie. »Oder wollen Sie beweisen, dass letztendlich jeder einen Wert hat? Sogar Mörder. Sogar der Highwaykiller.«
    Diesmal war es Clevenger, der tief durchatmete. Er dachte unwillkürlich nicht nur an sein eigenes Leben, sondern auch an das von Billy Bishop. »Wenn der eigene Vater einen nichtals vollwertigen Menschen sieht, ist es sehr schwer, den eigenen Wert zu erkennen, den Teil von sich selbst zu sehen, der real ist und wesentlich – den Teil, der es tatsächlich wert ist, geliebt zu werden. Vielleicht ist das eine Angewohnheit von mir geworden. Wahrscheinlich will ich für alle das tun, was er nicht für mich tun konnte – oder wollte.« Aus irgendeinem Grund schnürte sich ihm die Kehle zusammen. Vielleicht, weil er genug gesagt hatte, vielleicht, weil er zu viel gesagt hatte. »Verstehen Sie?«, brachte er mit Mühe heraus.
    McCormick antwortete, indem sie ihre Hand über den Tisch streckte und die seine ergriff.
    Er strich mit seinem Daumen an ihrem entlang, dann über ihren Handballen und ihre Handfläche.
    »Ich verstehe dich«, sagte sie.
     
    Der Schneeregen hatte sich in einen Wolkenbruch verwandelt. Die einzige Gewissheit an jenem Abend war, dass

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