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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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Es war lange her, dass er zugelassen hatte, etwas für eine Frau zu empfinden. Es machte ihm Angst.
    Sie drehte sich um und vergewisserte sich verlegen, dass niemand Clevengers Worte mit angehört hatte, einer der State Troopers zum Beispiel oder ein gerissener Reporter oder ein FBI-Agent, der verdeckt in diesem Fall ermittelte. Als sie niemanden sah, legte sie ihre Hand auf ihr Herz und streckte sie dann nach ihm aus.
     
    Jonah Wrens hatte alles mit angesehen – und gehört. Er saß in einem Nadelstreifenanzug aus hellgrauer Schurwolle, einem hellblauen Hemd und einem blau in blau gestreiften Schlips am Flugsteig; seine Aktentasche stand neben ihm auf dem Boden, und er tat so, als würde er den Sentinel and Telegraph von Salt Lake lesen. Sein Herz hämmerte. Seine Augen brannten. Er hatte sich geöffnet. Er hatte vertraut. Und er war verraten worden. Clevenger hatte nie die Absicht gehabt, ihm in seinem Ringen um Erlösung zu helfen. Er wollte ihn einsperren.Er hatte versprochen, nicht mit dem FBI zusammenzuarbeiten, doch dann hatte er sich unverzüglich mit ihnen eingelassen – mit Whitney McCormick, der Jägerin.
    Jonah hatte durch ein Fernglas von einem Hügel eine halbe Meile entfernt beobachtet, wie der Transporter der Utah State Police am Straßenrand knapp jenseits der Abfahrt 42 angehalten hatte, hatte sie alle aussteigen sehen und gebetet, dass Clevenger nicht unter ihnen sein würde. Doch dann hatte er ihn entdeckt, hatte ihn klar und deutlich als den Betrüger erkannt, der er war. Und die allzu vertraute Einsamkeit hatte wieder angefangen, an seiner Seele zu nagen, ihn auszuhöhlen, ihn die Leere und die Todesqual fühlen zu lassen.
    Die Schmerzen waren jetzt noch schlimmer. Er musste nachtanken, musste sein Mark mit dem Lebensblut eines anderen stärken. Und wessen Blut wäre dazu besser geeignet als das des Mannes, der versprochen hatte, seinem Leiden ein Ende zu setzen.
    Er stand von seinem Sitz neben dem Flugsteig auf, griff durch ein Loch in seiner vorderen Hosentasche und umfasste den Griff des Jagdmessers, das er mit Klebestreifen an seinem Oberschenkel festgemacht hatte. Er riss es mit einem Ruck los. Dann bewegte er sich auf Clevenger zu und stellte sich vor, wie er ihn anlächeln würde, als seien sie alte Freunde, wie er ihn mit einer Umarmung überraschen, ihm dann die Klinge unterhalb seines Brustbeins in den Leib rammen und die linke Herzkammer durchbohren würde, um ihm gleichzeitig ins Ohr zu flüstern, wie sehr sein eigenes Herz litt, wie verzweifelt er sich nach Heilung gesehnt hatte, dass Clevenger seine letzte Chance, seine einzige Hoffnung gewesen wäre. Dann würde er einfach davongehen und Clevengers Leiche hinter sich zurücklassen, würde so viel wie möglich vom Geist des Mannes in sich aufnehmen, die reine Wahrheit nämlich in seinen sterbenden Augen, und würde damit entfliehen.Vielleicht war das tatsächlich der einzig ehrliche Teil, den er von Clevenger erwarten konnte.
    Er war bis auf fünf Schritte heran ... vier ... drei ... und dann wandte Clevenger plötzlich seinen Blick um und sah ihn an. Nur einen Moment lang, mehr nicht. Das Fenster tat sich auf und schloss sich sogleich wieder. Doch Jonah vermeinte durch dieses Fenster geradewegs in Clevengers Seele geschaut zu haben, vermeinte eine außergewöhnliche Intelligenz, etwas Starkes und Hemmungsloses, gesehen zu haben, doch gleichzeitig Verletzungen und Bedürftigkeit, Leere und Einsamkeit. Er sah Teile von sich selbst. Und jenes Spiegelbild lockerte seinen Griff um das Jagdmesser und löschte seinen lodernden Zorn und ließ ihn völlig klar sehen.
    Er erinnerte sich daran, dass ihm während seines Studiums der Dekan der Johns Hopkins Medical School, Jonahs Mentor, gesagt hatte, dass es im Leben solche Momente gab – Momente der Offenbarung –, doch Jonah hatte nie zuvor einen erlebt. Jetzt sah er den Plan, den Gott für ihn hatte, in seiner Gesamtheit: geheilt zu werden, doch gleichzeitig zu heilen.
    Was für ein erhabener, geschlossener Kreis: Er und Clevenger würden einander erlösen. Zwei Psychiater, die Herz und Verstand vereinigten und eins wurden.
    Wer vermochte schon zu sagen, ob er sich um Hilfe an Clevenger gewandt hatte oder Clevenger an ihn. War es nicht offensichtlich, dass die Hand Gottes sie zueinander geführt hatte? Stimmte es nicht, dass er nie von Clevengers Existenz gewusst hätte, wäre da nicht ein Bericht in den Fernsehnachrichten gewesen, der sie beide miteinander in Verbindung brachte? Und

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