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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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meine Mutter umsorgt mich. Das ist meistens schön, aber dann nervt es auch hin und wieder, weil sie dann kein Ende findet», beschreibt die knapp 1 3-jährige Julia ihre Situation. «Papa weiß nicht immer alles, was läuft, weil er weniger da ist. Aber er will auch nicht alles wissen. Aber wenn ich ihn brauche, dann hat er Zeit für mich.»
    Jugendliche erkennen schnell, ob hinter der väterlichen (oder auch mütterlichen) Zeitknappheit Desinteresse an Heranwachsenden oder eine manchmal nicht zu vermeidende sachorientierte Distanzierung steht. Spüren Jugendliche Desinteresse, interpretieren sie dies als Gleichgültigkeit und Alleingelassenwerden. Störendes, auffallendes, nicht selten grenzverletzendes Verhalten ist die Folge mit dem Ziel, elterliche Aufmerksamkeit und Zuwendung zu bekommen.
    Väterliche Distanz wird dagegen – auf der Basis einer gefühlsmäßig stabilen und festen Beziehung und Bindung – durchaus als angenehm empfunden. Denn Distanz schafft Raum, gibt Heranwachsenden eine Chance, Persönlichkeitsanteile ohne Beobachtung und Kontrolle auszuleben. Distanz kann Konflikte um alltäglichen Kleinkram reduzieren. Dazu nochmals ein kurzer Gesprächsausschnitt mit Anja, 14   Jahre, und deren Mutter.
    Anja: «Papa sieht nicht jeden Mist. Das macht ihn großzügiger. Aber wir fetzen schon häufig miteinander. Dann lohnt es sich auch. Mit Mutti artet jede Kleinigkeit in Dauerstress aus!» – «Aber in letzter Zeit nicht mehr», verteidigt sich Anjas Mutter. «Ist ’n bisschen besser geworden», räumt Anja ein. Was denn anders geworden sei, will ich wissen. Anjas Mutter erzählt mir, dass sie es satthatte, «ständig der Fußabtreter zu sein und zu den Verlierern zu gehören. Und mein Mann gab den Oberguru ab, der alles in Ruhe löst. Das brachte mich auf die Palme. Der war ja nicht kompetenter, der war nur distanzierter als ich.» Und sie lächelt gelöst: «Ich hab dann für mich gesorgt. Arbeiten konnte ich wegen der jüngeren Kinder nicht, aber ich hab mir ein Freizeitprogramm zugelegt. Ohne Kinder und ohne Mann. So bekam ich Distanz zu der alltäglichen Wurstelei und zu dem Generve. Mit einem Mal konnte ich meine Kinder anders sehen. Und die mich. Diese Distanz hat uns allen gutgetan.» Anja nickt bestätigend: «Irgendwie sind Papa und Mama anders. Zum Beispiel spielen wir mit Papa anders als mit Mama. Und mit Mama können wir über anderes reden als mit Papa. Der will manches gar nicht hören.»
    Heranwachsende erkennen, bewerten und benutzen die unterschiedlichen Rollen, die Väter und Mütter im Familienleben einnehmen bzw. die ihnen von Kindern zugeschrieben werden. Mutter und Vater haben spezifische Erziehungs- und Kommunikationsqualitäten. Dabei weisen Heranwachsende den Vätern besondere Aufgaben zu:
Sie schätzen an den Vätern die spielerischen, sportlichen, vor allem außerhäuslichen Unternehmungen. Dies gilt insbesondere für die Phase der Vorpubertät. Doch auch hier gilt: Es nützt wenig, eine Aktivität aus schlechtem Gewissen anzuzetteln. Kinder spüren, ob dies mit ganzem Herzen erfolgt.
Gespräche mit den Vätern drehen sich mehr um zukünftige Fragen, zum Beispiel die Berufsausbildung. In diesem Zusammenhang kommt den Vätern eine besondere Verantwortung zu. Pubertierende wollen ernst genommen werden. Haben sie das Gefühl, stellvertretend unerfüllte Wünsche und Bedürfnisse ihrer Väter ausleben zu müssen, dann sind Machtkämpfe vorprogrammiert.
Die väterliche Distanz kann die Loslösung der Pubertierenden vom Elternhaus erleichtern. Väter können Vorbild für eine Beziehung sein, in der Distanz respektiert und in der Freiräume möglich sind. Aber Distanz darf nicht als Freibrief missverstanden werden, sich aus den Beziehungen zu Kindern mit dem Hinweis auf den anstrengenden Job zu verabschieden.
    Wenn Vater und Mutter sich nicht einig sind
    Zank und Streit können – unbewusst – zum Mittel werden, um sich stärker aneinander zu binden, geradezu zu verhaken. Dies gilt insbesondere dann, wenn unterschiedliche Erziehungsstile zwischen Vätern und Müttern zu unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten führen.
    Während eines Familienseminars erzählt die Mutter des 1 6-jährigen Thomas, sie habe in manchen Erziehungsfragen eine andere Auffassung als ihr Mann. Als ich das Elternpaar auffordere, diese Differenzen zu konkretisieren, schildert sie eine Situation: «Probleme gibt es in der letzten Zeit bei schulischen Angelegenheiten, vor allem bei der Erledigung der

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