Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
archaische Kultur der öffentlichen Schule befinden sich mit dem modernen Menschen nicht mehr in Einklang.
Ein elfjähriger Junge aus Berlin beispielsweise war auf der Schule so unglücklich, dass er dem Unterricht immer häufiger fernblieb und seine Eltern inständig anflehte, von der Schule abgehen zu dürfen. Die Eltern des Jungen baten dessen Lehrer um ein Treffen, um nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen und die Situation für alle zu verbessern. Doch ihr Vorschlag wurde brüsk zurückgewiesen. Der Junge, hieß es, könne in einem halben Jahr zu einem Psychologen kommen, außerdem führe man mit Problemkindern aus Prinzip keine persönlichen Gespräche!
Wie kann eine Schule mit einer solchen Einstellung erwarten, von Schülern und Eltern respektiert zu werden? Wen kann es überraschen, wenn dieser Elfjährige vollkommen scheitert oder eines Tages mit einer geladenen Schusswaffe in der Schule aufkreuzt? Dieser Vorgang ist so entwürdigend, so unmenschlich und so primitiv, dass man sich darüber wundern muss, dass es noch keinen bundesweit organisierten Aufstand von Eltern gibt, die sich mit diesen Zuständen nicht länger abfinden wollen. Aber den gibt es nicht. Die Angst vor dem System und dem möglichen sozialen Fiasko der Kinder verleitet die meisten Eltern nicht nur dazu, den Status quo zu akzeptieren, sondern auch ihre Kinder im Stich zu lassen, wenn diese plötzlich »Schulprobleme« bekommen.
Ich räume gern ein, dass Eltern vor einer ungeheuer schwierigen Entscheidung stehen, die zum riskanten Drahtseilakt werden kann: Sollen wir uns mit dem System solidarisieren, was unsere Kinder sowie unsere Beziehung zu ihnen womöglich unerträglichen Belastungen aussetzt, oder sollen wir ihnen den Rücken stärken, obwohl wir befürchten müssen, damit ihre Zukunftsaussichten aufs Spiel zu setzen?
In Deutschland stellt sich dieses Problem mit besonderer Schärfe, weil man noch immer daran festhält, die Kinder schon nach vier Grundschuljahren voneinander zu trennen. Über die zukünftigen Bildungschancen dieser Kinder entscheiden Menschen, die oftmals weder Zeit noch Interesse haben, sich der individuellen Persönlichkeit der zehn- bis elfjährigen Schüler zu widmen. Doch diese Politik entbehrt jeder seriösen wissenschaftlichen Grundlage. Sie ist ein indirekter, doch krasser Bruch mit der UN-Kinderrechtskonvention und übt auf Eltern wie Kinder einen teils unmenschlichem Druck aus. So verwundert es nicht, dass sich immer mehr Kinder und Jugendliche von der Schule abwenden und damit ihren ursprünglichen Wissensdurst verleugnen.
Den Schwarzen Peter haben gegenwärtig die Eltern, die individuell entscheiden müssen, welche Prioritäten sie setzen. Nicht gerade eine beneidenswerte Position, und ich wundere mich täglich darüber, dass wir noch keinen kollektiven Aufschrei der Eltern erleben, die im eigenen Namen sowie im Namen ihrer Kinder eine Änderung der Gesetze verlangen.
Kindern und Jugendlichen den Rücken stärken
Viele Eltern stehen also vor der Wahl, sich entweder als verlängerter Arm des Staates zu betätigen oder den staatlichen Institutionen gegenüber zum Sprachrohr ihrer Kinder zu werden. Im Interesse aller Parteien hoffe ich, dass sich so viele Eltern wie möglich für Letzteres entscheiden. Ich zweifle keine Sekunde daran, dass Kinder, denen dies zuteil wird, ein besseres Leben als Erwachsene führen, bessere Eltern werden und für die Gesellschaft von größerem Wert sind.
Politiker können derweil tun, was in ihrer Macht steht: zum einen die Lehrerausbildung dahingehend ändern, dass auch
relevante und notwendige zwischenmenschliche Kompetenzen erworben werden, und zum anderen dafür sorgen, dass Lehrer an Schulen arbeiten können, die sich sowohl ihrer Angestellten als auch ihrer Schüler und deren Eltern wahrhaftig annehmen.
Eltern sollten sich klarmachen, dass Kinder, die offen von ihrem Unbehagen berichten, die die Schule schwänzen, aus dem System fallen oder mit Ach und Krach die Mindestanforderungen erfüllen, obwohl ihr Potenzial viel größer ist, extrem mutig sind. Die Propaganda und der Druck, den Politiker, Beamte, Lehrer und Eltern gleichermaßen ausüben, ist so enorm, dass ein junger Mensch, der gegen den Strom schwimmt, den allergrößten Respekt und die maximale Unterstützung durch seine Nächsten verdient. Eine Unterstützung, die sich nicht gegen Schule und Ausbildung richtet, sondern die persönlichen Überlegungen und Entscheidungen des Schülers respektiert.
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