Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
Stimmung sofort sehr eskaliert, sehr wütend und laut wird.
JUUL: Kannst du das ein bisschen anders sagen? Das habe ich noch nicht ganz verstanden, glaube ich.
VATER: Eine Beispielsituation wäre: Solange der Frühstückstisch genau gleich gedeckt ist, so wie er jeden Tag gedeckt ist und alle Komponenten da sind, ist alles gut. Wenn aber an einem Morgen mal eine Sache fehlt, kann das schon dazu führen, dass auf einmal die ganze Stimmung umkippt. Das wäre jetzt nur ein Beispiel einer Frühstückssituation. Es kann auch sein, dass die gewohnte Fernsehzeit, die man im Laufe eines Tages hat, einmal nicht gewährt wird, schon führt es dazu, dass die Gesamtstimmung in der Familie sehr stark belastet ist. Es ist also kaum eine Toleranz da. Und meine besondere Hilflosigkeit spüre ich
in der Situation, weil dann die Gefühle so stark sind, so stark geschrien wird, so stark beleidigt wird, dass mir häufig einfach die Möglichkeiten fehlen, darauf einwirken zu können. Wo ich dann selber erschrocken bin über das Gewitter, das jetzt da ist, und ich Sorge hab, dass ich in zukünftigen Zeiten in der Familie dann vielleicht gar nicht mehr reagieren kann oder eine Intensität angeschlagen wird, die dann nicht mehr familientauglich ist. Insofern sind wir eine Gewitterfamilie, die im Wesentlichen vielleicht harmonisch ist. Dann aber ist ein Gewitter, da werden Türen geknallt, und danach obsiegt dann doch sehr schnell wieder das Harmoniebedürfnis. Wir sind keine Familie, in der wir zwei Wochen schweigen oder bei denen ein Konflikt über mehrere Tage schwelt, das nicht. Sondern sehr impulsiv und dann wieder Bemühen um Harmonie. Sorge habe ich, dass dieser i mpulsive Faktor eventuell jetzt im Rahmen der Pubertät, oder wenn die Kinder größer werden, einfach dazu führt, dass es dann zu stark ist und wir es gar nicht mehr handhaben können.
JUUL: War das immer so, oder ist das etwas Neues?
VATER: Eigentlich war das immer so. Also was sich beim kleinen Kind äußert im Weglaufen aus der Situation oder Schreien und Trampeln, sind jetzt halt zielgerichtete Beleidigungen: gucken, wo trifft man denn jetzt die Eltern in der Situation, wo kann man zu Tränen rühren oder wo kann man den Elternteil so provozieren, dass er auch in Wut gerät. Also sehe ich da schon eine Fortsetzung im Verhalten, was man auch schon bei den Kleinen feststellen konnte. Wenn das so weitergeht, dann mache ich mir Sorgen, was noch kommen könnte. Dann könnte es tatsächlich auch dazu führen, dass irgendwann ein körperlicher Konflikt kommt, weil ich dann einfach in der Situation merke, dass ich nicht genau weiß, was ist die richtige Verhaltensweise.
JUUL: Ok. Ich möchte deine Beschreibung auch gerne hören.
MUTTER: Also bei mir ist eigentlich ein ganz großes Hauptthema, dass unser ältester Sohn und ich oft einen Streit kriegen,
der jetzt im Laufe seines Alters oder der beginnenden Pubertät so eskaliert, dass wir uns so anschreien und die Wortwahl auch so wird, dass ich das nicht mehr möchte. Ich will das nicht. Ich akzeptiere es und finde es auch völlig normal, dass wir in Streit geraten, das gehört dazu, glaube ich einfach. Ich weiß nur nicht, wo ich die Grenze setzen muss oder wo einfach Schluss ist. Wenn ich dann durch bestimmte Wörter provoziert oder geärgert werde, das will ich nicht.
JUUL: Ok. Kannst du dich erinnern, wann das das letzte Mal passiert ist?
MUTTER: Seit wir gesagt haben, wir fahren nach München (zum Seminar) , ist es nicht mehr passiert. (Lachen)
JUUL: Es ist Harmonie in der Luft.
MUTTER: Ich hab schon letzte Woche gedacht: Warum fahren wir jetzt noch mal ganz genau da hin? Der Streit entsteht oft, weil unser ältester Sohn meint, dass ich von ihm was Schlechtes will, obwohl ich es eigentlich aus Liebe meine.
JUUL: Zum Beispiel?
MUTTER (ZUM SOHN): Weißt du noch ein Beispiel, von unserem letzten Streit?
SOHN (12): Das war vor zwei bis drei Wochen. Eigentlich seit du gesagt hast, dass wir nach München fahren, nicht mehr.
MUTTER: Wenn ich zum Beispiel nach den Hausaufgaben frage und du sagst: Wir haben nichts auf, und dann gibt es einen Anruf von der Lehrerin, dass er zweimal keine Hausaufgaben gemacht hat, und dann frage ich ihn, was da los ist, dann kommt: »Du hast überhaupt keine Ahnung von der Schule und dich geht das überhaupt alles gar nichts an!« Und dann sage ich: Aber in dem Moment, wo mich die Lehrerin anruft, muss ich ja irgendwie reagieren, und dann schaukelt sich das so lange hoch bis: »Du hast
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