Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
sag nur, das ist nicht mein Geschmack. Aber ich kann doch auch nicht sagen, dass er toll ist, wenn er mir nicht gefällt.
JUUL: Aber hörst du, was er sagt?
MUTTER: (überlegt)
JUUL: Er sagt: »Für mich bist du eine große Autorität.«
MUTTER: Weil er möchte, dass ich den Pulli gut finde.
VATER: Nein, was deine Meinung ist.
JUUL: Weil es ihm sehr wichtig ist, was deine Meinung ist. Also, ich weiß im Moment nicht: Hat er ein Problem mit Autoritäten oder haben Autoritäten Probleme mit ihm. (Lachen)
MUTTER: Das ist schon immer die Frage.
JUUL: Denn, wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat er ja recht. Als Erwachsener einem Kind gegenüber muss man seinen Respekt verdienen, und was er manchmal Autoritäten sagt, ist: »Bei mir hast du es noch nicht verdient« oder: »Ich hab’ nicht automatisch Respekt nur deswegen, weil du erwachsen bist oder Lehrer oder Oma oder was weiß ich.« Das habe ich richtig verstanden? (Nicken) Ok. Ich muss leider ein bisschen in die Vergangenheit gehen. Wie war es von Anfang an? Was hattest du
für Gedanken, für Gefühle, als du deinen Sohn die ersten paar Wochen getroffen hattest?
MUTTER: Ich weiß nur, das habe ich schon oft gedacht, das war schon früh so, dass ich mich provoziert gefühlt habe oder nicht wusste, was ich machen soll. Selbst als er ein kleines Kind war, wenn es lauter oder rappeliger wurde, ist er auf allen Vieren rausgekrabbelt und in einen Nebenraum gegangen, um dann für sich zu sein. Und ich kann mich gut daran erinnern, als er noch wirklich klein war, unter einem Jahr, und keinen Mittagsschlaf mehr machen wollte. Ich kann heute sagen, das war ja albern von mir, dass ich dachte: Er muss noch schlafen. Aber das ist dann ja auch so ein Teufelskreis: Wenn er jetzt nicht schläft, dann … Und da weiß ich noch genau die Gefühle. Ich stand da und dachte: Der muss doch jetzt einschlafen, das kann doch nicht angehen! Also das ist so ein Gefühl, das ich ganz deutlich weiß.
JUUL: Und es gibt wahrscheinlich noch 15 bis 20 Punkte, wo es ähnlich war, oder?
MUTTER: Es war einfach schon von Anfang an schwierig. In jeder Gruppe war sein Sozialverhalten schwierig. Also im Kindergarten, Grundschule oder das Problem jetzt mit seinem Bruder. Wo er noch mal provoziert und noch mal …
JUUL: Das sind ganz verschiedene Dinge. - Ich hab mehr und mehr eine Idee, eine Vorstellung, dass euer Sohn von Anfang an viel autonomer war als die meisten Kinder. Was ich immer höre: Er kann sich sehr gut abgrenzen, er kann sehr gut sagen, was er will und was er nicht will, auch von Anfang an, er ist auch sehr stark. Und das heißt ja, das meiste von dem, was wir als Eltern oder Erwachsene oder Pädagogen an Liebe, Fürsorge, Unterstützung anbieten, will er nicht haben. Ist das richtig, oder ist das nur meine Fantasie? (Eltern nicken)
Es ist also so - ok. Dann habe ich einen Vorschlag. Das heißt, dass es noch nicht zu spät ist (es ist ja niemals zu spät, aber es
ist eine gute Zeit), denn (zum Sohn) du bist jetzt zwölf? Ja. Mit ihm muss man reden, verhandeln, sprechen, in einer Art und Weise, wo man sich vorstellt, er ist nicht zwölf, sondern 32. Das heißt, nicht Vater und Mutter spielen. Wenn das passiert, reagiert er allergisch, das kann er nicht ertragen. Das ist schwierig für ihn, weil er sich oft einsam oder alleine fühlt, und das ist sehr schwierig für Eltern, manchmal auch für Pädagogen oder Lehrer, weil man sozusagen mit einem ganzen Korb oder Herz voll Geschenken dasteht, die man ihm gerne schenken möchte, und er will die nicht haben. Und was kann ich denn sonst anbieten? Das ist natürlich unheimlich schwierig, denn so viele Alternativen haben wir ja auch nicht im Kopf. Ich hab’ schon ein bisschen darüber gesprochen, dass man mit Anfang der Pubertät als Sparringspartner fungieren muss, und das kann man mit autonomen Kindern eigentlich von Anfang an machen. »Ich sage, was ich meine«, d.h. er hat sich einen Pulli ausgesucht und er fragt dich, was meinst du, und du sagst: »Meine Meinung ist, ich würde das nicht selber tragen, aber ich sehe, wie das für dich passt.« Das wäre eine Antwort, und dann kann er wählen, und dann kann er sich auch für deinen Geschmack interessieren und sagen: »Ich finde den Pulli toll, warum du nicht?« Das ist nur ein kleines, dummes Beispiel. Normalerweise sage ich, den meisten Kinder kann man einen Teller servieren und sagen: »Hier gibt’s was zu essen«, und dann essen die Kinder. Mit diesem Jungen ist das
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