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Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht

Titel: Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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gefährlich sind, also man experimentiert, man geht damit um und wird entweder Opfer oder nicht. Das kommt nicht darauf an, ob es Computerspiele oder Fernsehen oder Drogen oder Alkohol oder Sex ist. Das kommt darauf an, was in der Entwicklung der Kinder die ersten acht bis zehn Jahre passiert ist. Worüber wir jetzt reden ist eigentlich: Ist es möglich, dass unsere Kinder von unseren Erfahrungen lernen können? Und das ist, soweit ich weiß, nicht möglich.
    VATER: In dem Bereich auf jeden Fall nicht, denn mit Fernsehen hätten wir vielleicht Erfahrung, aber auch nicht in der Menge, wie es das heute gibt. Und beim PC muss ich sagen, ich kenne das Gängige, aber mit dem Ding spielen - über Kartenspielen am PC bin ich nie rausgekommen. Die Erfahrungen muss er selber machen, deswegen ist es wahrscheinlich auch so, dass wir eher in der ängstlich beobachtenden Stellung sitzen: Was passiert da jetzt?
    JUUL: Eins will ich zuerst sagen: Jetzt gibt es Regeln. Und eure beiden Kinder kooperieren damit, das heißt mehr oder weniger folgen beide den Regeln. Im Moment gibt es also eigentlich keinen Grund zur Änderung. Wenn die beiden nicht mehr mitmachen und es jeden Tag oder drei Mal pro Woche zu einem großen Konflikt kommt - also zu dem, was ich destruktive Konflikte nenne, d.h. Konflikte, die sich immer häufiger wiederholen, über dasselbe Thema und mit einem zunehmend negativen Ton von beiden Seiten -, dann muss man was ändern. Im Moment können wir sage:. Jetzt haben die beiden Eltern Regeln oder eine Regelsammlung gemacht, und die beiden Kinder kooperieren damit, so, jetzt geht es. Das muss man nicht
ändern. Aber es kommt auch ein Zeitpunkt, wo man als Jugendlicher eine sehr schwierige Wahl hat, denn dann muss man wählen: »Will ich für immer gehorsam sein oder muss ich für meine Mutter lügen?« Und ich glaube, dieser Zeitpunkt kommt näher und näher. Das ist für uns Eltern sehr wichtig: Was wollen wir eigentlich? Wollen wir, dass unsere Kinder lügen? Es gibt nur eine Erklärung, wenn Kinder lügen, und das ist, wenn sie wissen oder spüren: »Meine Eltern schaffen es nicht, mit der Wahrheit umzugehen, dann lüge ich! Die Eltern geraten in Panik oder Depression, es kommt zu Tränen oder Streit, wenn ich es sage, besser sage ich nichts.« Dann kann man sich daran gewöhnen, dass manchmal die »Polizei« vorbeikommt und sagt: »Aha, jetzt hast du es wieder gemacht«, und dann sagt man: »Ups, Entschuldigung, das war nicht meine Absicht.« Das wird unangenehm für ein paar Stunden, aber dann geht es vorüber.
    Ich glaube, dass wir als Eltern eine andere und vielleicht auch wichtigere Rolle spielen können. Wir kennen ja unsere Kinder, d.h. wir merken ganz schnell, geht’s ihnen gut oder geht’s ihnen nicht gut. Wie geht’s mit diesem Lehrer, wie geht’s mit diesen Freunden, wie geht’s mit diesem Urlaub? Manchmal ist unser Eindruck auch komplett falsch, aber wir beschäftigen uns damit, und das glaube ich, ist wichtig. Denn man muss als Jugendlicher, man muss ganz früh, ganz oft persönlich wählen: Was will ich, was will ich nicht? Will ich jetzt die ganze Nacht Computerspiele spielen oder will ich jetzt Schulaufgaben machen? Das heißt, man kann nicht nur moralisch Ja oder Nein sagen, man muss auch seine eigenen Erfahrungen machen. Wenn man seine Erfahrungen macht und schlechte Erfahrungen macht, dann braucht es bei den Eltern eine Bereitschaft, dass man hinkommen und darüber reden kann. Damit man diese schlechten Erfahrungen usw. bearbeiten kann. Das, glaube ich, ist eine sehr wichtige Rolle, und wenn man bloß Verbote oder Regeln aufstellt
und die nicht mehr funktionieren, dann sind die Möglichkeiten für Dialog auch nicht mehr da. Dann wird es so: »Warst du gestern kriminell oder nicht?« Dann reden wir darüber, was Eltern und Pädagogen Konsequenzen nennen - das ist ja ein sehr nettes Wort für Bestrafung. Und das wird ganz schnell ein Teufelskreis. Es gibt Eltern, ganz oft Väter, die auch gerne Computerspiele spielen, und da kann man sich mit seinem Kind hinsetzen, spielen oder untersuchen: Was ist das eigentlich und was macht das mit mir? Wenn man Zeit und Lust hat, kann man das tun. Wenn man keine Lust hat, dann muss der Jugendliche selber beurteilen, was geht und was geht nicht.
    Furchtbar ist, was die letzten 20 Jahre passiert ist. Jugendliche heute führen weniger und weniger ein Doppelleben. Als ich 14 Jahre war, da hätte ich nicht überleben können ohne ein Doppelleben. Einen Teil von

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