Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
bestimme. Ich ertappe mich immer wieder, dass ich zu den Kindern sage: »Schon wieder fernsehen! Hast du deine Hausaufgaben gemacht?« Ihnen ganz zu vertrauen ist für mich nicht einfach, aber mir ist es jetzt bewusst und so kann ich daran arbeiten. Ich habe aber auch bemerkt: Wenn ich die Verantwortung abgebe, mich nicht mehr kümmere, bleibt für mich mehr Raum und Zeit - ich werde Stück für Stück freier und ich habe mehr Energie für andere Bereiche meines Lebens. Ich sehe Familie und Partnerschaft als die größte Herausforderung meines Lebens und ich lerne täglich aus all meinen Beziehungen - das finde ich sehr spannend.
VATER: Es war ein Erlebnis für mich, dabei sein zu dürfen. Allein die ungeheure Präsenz von Jesper Juul ist schon Balsam. Ich hatte mich zu jedem Zeitpunkt gut aufgehoben gefühlt. Einen großen Dank auch an die zwei Kameraleute. Zu keinem Zeitpunkt kam bei mir ein ungutes Gefühl auf, beobachtet zu werden. Dadurch war es auch einfach, authentisch zu sein. Aus allen Sitzungen mit den Familien konnte ich etwas für mich und meine familiäre Situation (auch Herkunftsfamilie) herausziehen. Auch die Pausengespräche mit anderen Teilnehmern und den Trainern waren eine Bereicherung und Bestätigung. Gerade auch die offenen »Bekenntnisse« von Jesper Juul und den Trainern zu eigenen Schwächen haben bei mir einige Selbstzweifel beseitigt. Nach dem Seminar war es irgendwie selbstverständlich, unsere Kinder in die Selbstständigkeit zu entlassen.
Ich bin kein Kontrollmensch - es läuft meiner inneren Überzeugung zuwider, ständig hinter jemandem herzulaufen und nachzuhaken, ob dieses oder jenes erledigt ist. Somit war ich neben den Kindern auf der Gewinnerseite. Meine Sorge, dass meine Frau jetzt mich »bemuttert«, war bisher unbegründet. Durch die neuen Freiheiten der Kinder hat sich das Familienklima deutlich entspannt. Viele Reibereien entfallen. Auch das Verhältnis zwischen uns Eltern hat sich positiv verändert. Oftmals warf mir meine Frau früher vor, nicht am selben Strang zu ziehen oder sie nicht richtig zu unterstützen, da ich bereits vorher mehr Verantwortung bei den Kindern sah.
Natürlich geht der Übergang nicht reibungslos. Es fällt mir manchmal schwer zuzuschauen, wenn ich die Eigenverantwortung bei einem Kind nicht erkennen kann, sondern nur ein »Ich darf machen, was ich will« spüre. Hier hilft es mir, von meinen Beobachtungen, Befürchtungen zu sprechen, meine Meinung zu sagen, aber die Entscheidung dem Kind zu überlassen.
FAMILIE 6
»Schule ist ein Problem für uns«
DABEI SIND: MUTTER, SOHN (16)
MUTTER: Ich hab viele Themen schon gehört, die mir weitergeholfen haben. Ich entwickle mich auch, aber ich sehe - also unser Sohn ist ja schon 16 -, dass ich früher viele Fehler gemacht habe und viel schief gelaufen ist. Was bis jetzt noch als Problem da ist, ist die Schule. Das war unser Hauptproblem von dem Zeitpunkt an, als er in die Schule gekommen ist. Ich hab einen Mann, der ist zu Hause mit meinem jüngeren Sohn, der ist sechs. Vom leiblichen Vater meines ältesten Sohnes hab ich mich getrennt, als er zweieinhalb Jahre alt war und ihn habe ich alleine erzogen und bin auch wieder arbeiten gegangen und hatte ihn in der Krippe, und dann habe ich meinen jetzigen Mann kennengelernt. Als mein ältester Sohn vier war, sind wir zu meinem Mann gezogen und dann gingen die Probleme los mit der Schule. Es gab verschiedene Probleme mit der Rechtschreibung usw., und seitdem bin ich halt immer dran mit ihm zusammen, dass es einigermaßen gut läuft. Die Noten waren auch immer so mittelmäßig. Ich weiß nicht, warum mich das immer noch so beschäftigt, aber es ist vielleicht, weil ich überfordert war, das alles noch mitzutragen. Jetzt sehe ich auch, was schief gelaufen ist, wo er mich gebraucht hätte, jetzt verstehe ich ihn besser. Ich sehe, dass ich ihn als Mensch und seine Bedürfnisse zu wenig wahrgenommen habe. Die Schule ist immer noch ein Thema zwischen uns, das ist so eingefahren, wo ich mich nicht gut verhalte.
JUUL: Die letzten paar Sätze habe ich nicht verstanden oder nicht richtig gehört. Also die Schule ist noch ein Problem für euch? Und?
MUTTER: Ja, ich verhalte mich eher zwanghaft, ich hab’ eben das Gefühl, ich muss gucken, was er aufhat, wo er lernen muss … Ich kann da schwer loslassen.
JUUL (ZUM SOHN): Und möchtest du das gerne, dass deine Mutter loslässt?
SOHN: Schon, das würde es leichter machen, denke ich.
JUUL: Ist das eine interessante
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