Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
gefährlich. Das kann man sagen, wenn sie fragen. Und sagen: »Wisst ihr das?« - »Ja, das wissen wir.« Und dann hoffentlich … Aber man kann nichts tun, dass sie nicht in Kontakt mit solchen Dingen haben, das geht nicht. Wie euer Sohn sagt: »Ich weiß ganz genau, welche Sorgen sich Erwachsene machen und welche Fantasien die über unsere Spiele haben, dass wir uns isolieren, einsam werden, kein soziales Leben haben, unser Körper kann sich nicht entwickeln usw.« Das weiß er alles und kann das beantworten. Das heißt, wenn er
plötzlich damit aufhört, Freunde zu sehen und Sport zu machen usw., dann braucht er wahrscheinlich kurz seine Eltern, um ihm zu sagen: »Jetzt wird’s gefährlich« oder: »Wie wir das sehen, hast du damit aufgehört, das macht uns unruhig.«
MUTTER: Gut, ja.
JUUL: Was Kleinkinder angeht, wissen Eltern so viel und haben so viele Ideen: Was ist gut für Kinder, und was ist richtig, was muss man machen. Die armen Kinder können sich nicht entfalten, die müssen immer ihren Eltern dienen und sagen: »Ich mache mit, ich mache mit, ich mache mit, ich esse richtig, ich entwickle mich richtig …« Die Eltern wollen alles drei Jahre früher als überhaupt möglich, das geht nicht. Wir haben zu viele Projekte. Ich hab Glück gehabt: Als mein Sohn 14 Jahre alt war, ist er 25 Kilometer von uns zu Hause in die Schule gegangen, in einer Großstadt. Wenn er mit seinen Freunden ausgehen wollte, Videos gucken, ins Kino, feiern, dann war er nie zu Hause. Er hat immer bei jemand anders gewohnt, und das war für ihn wunderbar und, ehrlich gesagt, für uns Eltern auch wunderbar. (Lachen) Wir sollten und mussten nicht alles wissen. Ich selbst bin als Seemann zur See gefahren, und hätte meine Mutter beobachten können, was ich zwischen 15 und 17 Jahren alles gemacht habe, dann hätte sie sich mehrmals umgebracht, das ist ganz sicher, und ich war froh, dass sie nicht mit auf dem Schiff war. (Lachen)
Es ist deutlich, was ihr beide denkt, was euch wichtig ist, und das wissen eure beiden Kinder. Wenn euer Sohn kommt und sagt »Jetzt habe ich so gut wie möglich zwei Jahre lang mit diesen Regeln kooperiert, jetzt möchte ich gerne ein bisschen mehr Flexibilität haben«, dann könnt ihr entweder Ja oder Nein sagen. Und dann muss er machen, was er will. Oder aber man muss ein Gefängnis ohne Computer einrichten. Aber selbst Mörder haben heute Computer in der Zelle. Jetzt möchte ich wissen, was ihr beide darüber denkt. Jetzt habe ich ja lange geredet.
MUTTER: Das ermutigt mich sehr, was du da sagst. Denn es ist ja beides in meinem Kopf, aber es ist natürlich auch diese Stimme so von schulischer Seite und von den Wissenschaftlern, Gehirnforschern, die eben diesen Gegenpart sagen. Aber ich möchte auf meine Kinder eingehen und deswegen ermutigt mich das schon, ihnen da Vertrauen entgegenzubringen.
JUUL: Über die Gehirnforscher möchte ich sagen, da sind wir teilweise korrumpiert. Es gibt heute tausende Jugendliche und junge Erwachsene mit Tinnitus, das kommt von MP3-Playern, I-Pods usw., darüber redet fast niemand. Aber diese Computerspiele sind so, so, so, so gefährlich! Seelisch gefährlich. Ich meine, bei den MP3-Playern haben wir Beweise, für die seelischen Auswirkungen von Computerspielen haben wir keine. Es gibt Untersuchungen, die sagen, wenn man immer fernsieht mit Gewalt, mit Krieg usw. dann wird es irgendwie einfacher für Kinder und Jugendliche, ihre eigenen Aggressionen loszulassen. Das, glaube ich, ist richtig. Es kommt auf das Selbstgefühl der Kinder an, es kommt auf die Stabilität im Elternhaus an und auf die sozialen Bedingungen. Wenn die alle ok sind, dann ist die Gefahr minimal. (Zu den Jugendlichen) Wollt ihr etwas sagen zum Schluss?
TOCHTER: Ich denke schon, dass dieser Drang vielleicht auch aufhören würde, wenn wir selber Verantwortung übernehmen. So wie es ist, ist es ok, und ich denke, wir sind nicht so gefährdet, dass uns was passieren würde, weil wir beide unser eigenes anderes Leben haben und das ist … (Pause)
MUTTER: … schön. - Danke schön.
JUUL: Ja, genau.
RÜCKMELDUNG DER BETEILIGTEN FAMILIE NACH VIER WOCHEN
MUTTER: Das Wochenende mit Jesper Juul und den Familien war für mich sehr bereichernd. Von jedem Gespräch habe ich viele Impulse mitgenommen - wir haben unsere Kinder daraufhin noch mehr in die Eigenverantwortung entlassen. Für mich war der Schritt nicht so leicht, da ich eher ein kontrollierender Typ bin und alles gerne »im Griff habe« und
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