Puck
durch Schonungen, kletterten über Zäune, wanderten durch die Riesensäulen eines Buchenwaldes, erklommen Hügel, wir riefen und pfiffen. Die Sonne glühte. Nichts. Einmal, aus einer Schonung, schrie die Gefährtin auf. Ich stürzte hin, sie stand erstarrt: Vor ihr bäumte sich fast armdick eine große dunkle Schlange. Sie ringelte sich von dannen, Frauchen wankte, griff nach dem Herzen, stürzte aber weiter. Sie war dunkelrot im Gesicht, einem Hitzschlag nahe, ihre Augen waren ganz irr, das Haar strähnig. Schon fiel die Dunkelheit ein. Ich schlug mich zu ihr durch: »Ich glaube, wir müssen erst mal was essen, wir suchen nachher weiter.«
»Er ist fort, er ist tot...« Sie schluchzte hemmungslos und biß sich in die Hand.
»Wahrscheinlich ist er längst am Wagen«, sagte ich, ohne es selbst zu glauben. Sie ließ sich mitschleppen wie ein kleines Mädchen, das seine Puppe verloren hat.
Im Lokal brannte schon Licht. Wir stürzten mit schmerzenden Beinen auf den Parkwächter zu.
»Jawohl! Aber sicher — die ganze Zeit läuft hier ein weißer Foxl ‘rum!«
»Na also!« Die Gefährtin begann zu schluchzen, diesmal vor Freude. »Da ist er!« Wir folgten der Hand des Parkwächters. Aber es war nicht Puck, es war ein kleiner Schabrackenfoxl, der gerade zu Herrchen und Frauchen ins Auto stieg. Der Schlag fiel zu, sie fuhren ab. Sie waren glücklich, sie hatten ihr Tier.
»Jetzt essen wir erst was!« bestimmte ich. Sie mußte einen Cognac trinken, ich tat es ohne Aufforderung und wurde zunehmend zuversichtlicher. »Unsinn, sich so aufzuregen, er wird bestimmt aufkreuzen!«
Aber die Stunden vergingen, schon war es stockdunkel. Ich rief den Kellner. Es sei nichts mehr frei im Hotel. Was also tun? Wir warteten und warteten. Einer rannte immer in den Wald und rief, während der andere im Lokal auf Puck wartete. Schon leerten sich die Tische, immer wieder strichen die Scheinwerferkegel abfahrender Wagen über die Fenstervorhänge. Das Donnergrollen draußen war lauter geworden. Man redete uns zu. Ich war im wahrsten Sinn des Wortes außer mir, das heißt, ich hatte, wie in allen Augenblicken ganz großen Schmerzes, das Gefühl, daß ich gar nicht ich selbst sei, der ihn erlebte. Nur die Gefährtin tat mir zutiefst leid. Schließlich brachte ich sie zum Wagen. Als ich Gas gab, schrie sie in die Dunkelheit: »Puck — Puck!« Dann schlug sie die Hände vor das Gesicht, und so blieb sie unbeweglich, bis wir zu Hause waren. »Sobald es hell wird, fahren wir wieder hin«, erklärte ich, als ich ihr aus dem Wagen half.
Da war unser Heim — plötzlich leer und voller Vorwurf. Nun ein flammender, bläulicher Blitz, ein Donnerschlag, daß die Erde erzitterte, noch mehr Blitze. Und dann strömender Regen, Wände von Wasser. »Puck — mein Puckchen...«, schluchzte die Gefährtin. »Wir hätten ihn nicht verlassen dürfen, wir sind feige! Wo er doch solche Angst vor Gewittern hat! Was macht so ein armer kleiner Kerl jetzt? Er irrt herum, er sucht uns, er zittert, er friert, und wir haben ihn verlassen, sind einfach weggefahren...«
»Aber ich sage dir doch, wir fahren am Morgen sofort wieder hin! Komm, hier, nimm eine Schlaftablette.« Heimlich gab ich ihr die doppelte Ration und nahm selbst eine. Schließlich schlief sie ein.
Ich aber wurde nur unruhiger. Vielleicht saß er in einem Fuchseisen oder in einer Schlinge? Ich sah ihn hilflos liegen in dem strömenden Regen, klatschnaß und dürr, verzweifelt an dem festhängenden Bein zerrend, die Augen weit aufgerissen vor Entsetzen. Ich sah Nachttiere vom Fuchs und Marder bis zur Ameise über ihn herfallen, über diesen kleinen, heißgeliebten Körper, in dem so ein großes mutiges Herz schlug. Und dann ertappte ich mich, wie ich dasaß, die Hände vor das Gesicht geschlagen, wie die Gefährtin im Auto.
Ob er den Weg zurückfand, falls er sich nur verlaufen hatte? Ich fürchtete, er war schon zu zivilisiert, seine Instinkte waren schon zu sehr verdrängt, als daß er den langen Weg vom großen See bis zu uns finden könnte. Was sollte man nur tun? Draußen verrollte langsam das Gewitter. Die Vorhänge pufften sich geisterhaft in einem Windstoß. Einen Augenblick lang nichts — und dann hörte ich es! Ein todestrauriges Wolfsheulen, Pucks Heulen, Pucks Not- und Schmerzruf! Ich wußte es genau, und ich wußte, daß es über viele Berge und Wälder zu mir herkam, mich rief, mich und niemanden anders auf der ganzen Welt.
Schweißnaß fuhr ich hoch. Ich mußte wohl einen Moment
Weitere Kostenlose Bücher