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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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war ich in der Stadt. Von einer Redaktion zur anderen pilgerte ich, alle waren nett, und alle versprachen, eine kurze Notiz zu bringen. Ich hatte ein paar Geschichten über Puck veröffentlicht, und er war unter ihren Lesern populär. Aber es war nicht das allein, was sie zu Hilfe veranlaßte. Sie alle, die ich sonst als unbarmherzige Kritiker als geheime Neider und offene Konkurrenten kannte, sie alle drehten mir plötzlich eine andere und, wie mir schien, ihre wahre Seite zu. Der geheimnisvolle Anruf des Schmerzes schuf den Kontakt, und ich ahnte etwas von der Wichtigkeit des Schmerzes in der Welt. Dabei ging es nur um einen kleinen, weißen Hund, aber gerade das schien sie zu rühren, mehr vielleicht, als wenn es sich um einen Menschen gehandelt hätte. Und das wiederum — so fiel mir auf meinen vielen Wegen ein — war ein Warnungszeichen für unsere gefährliche Vereinsamung, verschuldet durch unser aller eigene Lieblosigkeit gegeneinander.
    Ich ärgerte mich, während ich zum Rundfunk fuhr, über dieses mein anderes >literarisches< Ich, das immer kalt beobachtend neben mir stand, jedes kleine Gefühlchen auf spießen und in Zeilen umsetzen wollte. Widerlich!
    Auch der Funk versprach zu helfen. Inzwischen war es sieben Uhr. Ich hatte Hunger, aber ich wollte mich bestrafen und fuhr gleich wieder zurück. Plötzlich fiel mir ein, daß ich ja gar nicht in der Wohnung gewesen war. Wenn er nun dort war! Ich rief an. Doras verweinte Stimme am Apparat: Nichts. Ich stürzte wieder in den Wagen und fuhr hinaus zum Restaurant. Dort saß Frauchen mit dem Geschäftsführer. Vor ihnen lag ein Berg von zerschnittenen Aktendeckeln, eine Drahtrolle und eine Kneifzange.
    »Der gute Tankwart hat alles aus der Stadt mitgebracht«, erklärte sie. »Wir binden sie mit Draht um die Bäume.«
    »Ja, wir werden die ganze Vegetation ändern«, meinte der Parkwächter ermutigend, und er malte — zum wievielten Male — auf eines der Pappstücke die Worte: »Hohe Belohnung, verloren ein Drahthaarfoxl, weiß mit schwarzbraunem Ohr, hört auf Puck, achtundvierzig Zentimeter hoch.«
    »Wir wollen die Nachrichten einschalten«, sagte ich gegen Abend. Alles ließ die Arbeit ruhen und hörte zu. Und tatsächlich, am Ende der Lokalnachrichten, kam es, sehr nett zurechtgemacht: »Wer hat Puck gesehen?...«
    »Morgen ist es in allen Zeitungen«, sagte ich. Dann stürzten wir in den Wald und banden bis zum letzten Lichtschein Zettel um die Stämme. Bis die Taschenlampe schlappmachte, werkten wir weiter, riefen zwischendurch, pfiffen: nichts. Ein kleines, tapferes liebendes Wesen, das unser Freund und Kamerad war, lag hier, irrte hier irgendwo, womöglich nur ein paar hundert Meter von uns, vielleicht in letzter Not. Und wir wußten es nicht. Wir fanden ihn nicht, wir konnten ihm nicht helfen, wir konnten ihn nicht verteidigen, wir, die das Schicksal bestimmt hatte, seine guten Götter zu sein.

    Die Nacht war wieder schlimm. Die Gefährtin hatte einen Herzanfall. Ich wußte mir nicht zu helfen und ließ den Arzt kommen. »Sie nehme ich mir auch gleich vor«, sagte er, nachdem er sie zur Ruhe gebracht hatte. Aber ich wehrte mich, lehnte die Spritze ab: »Ich mußte wach bleiben, falls er kommt und bellt oder jemand anruft!«
    Die folgenden Tage waren wie ein böser Traum. Frauchen war den ganzen Tag unterwegs. Wenn sie zurückkam, erzählte sie mir entsetzliche Geschichten. Sie hatte Hundehandlungen besucht, wo die entzückendsten Geschöpfe sich in engen Käfigen zu Tode sehnten, wo räudige Gespenster von Hunden an Stuhlbeine angebunden waren und geschlagen und getreten wurden. Im Hundeasyl hatte sie viele todtraurige und verlassene Hunde gefunden und auch einen Drahthaarfoxl, ganz ähnlich wie Puck. »Tommy heißt er, er ist schon sechs Jahre alt«, hatte ihr der Wärter gesagt, »und er hat schlechte Zähne, sehen Sie, hier. Wenn sich sein Herr nicht innerhalb von drei Wochen meldet, müssen wir ihn einschläfern.«
    Dann, eines Nachts um elf Uhr, klingelte das Telefon, eine rauhe Männerstimme: »Ich habe Ihre Notiz über Ihren Hund in den Zeitungen gelesen — er ist bei uns, wir haben ihn!«
    »Mein Gott, Mann«, sagte ich, »wirklich?«
    »Kein Zweifel! Wollen Sie ihn bellen hören?«
    »Geben Sie mir schnell Ihre Adresse, ich komme sofort!«
    Ein gellendes Gelächter: »Aber das kostet Sie viel Geld!«
    »Ist ganz egal, ich zahle, was Sie wollen, geben Sie mir Ihre Adresse, ich komme sofort!«
    Wieder das Gelächter, ein böses, trunkenes

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