Puck
gebraucht, um sich herauszuarbeiten.«
Und ich sah es vor mir: Er arbeitet sich die Röhre hinunter, aus der betäubender Geruch quillt. Die Röhre wird enger, macht eine Kurve, er gräbt. Da beginnt das Erdreich zu sacken, die Klauen der Erde packen ihn, drücken ihn in die Knie, pressen seine Flanken, er versucht zurückzukriechen, auch hinter ihm sackt es. Umdrehen und ‘raus, nichts als ‘raus! Und nun beginnt der Kampf, Stunde um Stunde, Millimeter um Millimeter. Er biegt sich zusammen, daß fast sein Rückgrat bricht, die Luft wird knapp, nur durch ein paar winzige Ritzen dringt sie noch herein, er röchelt, er beißt um sich, zerreißt Wurzeln, Sand in den Augen — wo sind die beiden Götter — warum helfen sie nicht? Wo ist Herrchens Hand, die ihn immer hochgerissen hat, wenn der andere Hund zu stark war? Er ermattet, die Phantasien des Todes beginnen ihn zu übermannen.
Aber da ist immer noch ein Funke in ihm, ein Ruf, ganz aus der Tiefe, Herrchens Stimme — und er gräbt noch einmal, noch ein Ruck, wieder ein Ruck, jetzt steht er quer. Und nun noch ein Ruck, er kommt herum, langsam, ganz langsam. Aber immer schwerer bricht es von oben auf ihn herunter. Wieder dämmert er dahin, eine unendliche Weile. Feuchtigkeit sickert durch, oben regnet es. Dumpf hört er Donner, der ihn aufweckt. Er gräbt, er zerrt, er schreit vor Schmerz, er kann aber nicht viel schreien, denn das kostet Luft, und so liegt er halb erdrückt und röchelt, dämmert wieder, der Biß der Ameisen weckt ihn. Und wieder etwas weiter. Erde, Erde, woher kommt unaufhörlich diese Erde, die jetzt sein Feind ist? Er zerrt, rückt, gräbt, röchelt, und schließlich, nach unendlicher Weile, merkt er, wie es über seinen Vorderpfoten leichter wird. Eine Winzigkeit mehr Luft kommt herein, noch ein Ruck, wieder einer — und dann faltet es sich über ihm auseinander, er niest, er prustet, aus dem Erdreich gräbt sich seine Nase. Tief atmet er, lange, dann wird er ohnmächtig. Erst der Ameisenbiß erweckt ihn abermals zum Leben. Stöhnend, ächzend zieht er sich heraus, steht, fällt erschöpft auf die Seite. Er liegt dort, die Zunge hängt ihm aus dem Maul, und wieder vergeht lange Zeit.
Eine andere Nacht kommt. Die Kälte bringt ihn zu neuem Leben. Er kann nun aufstehen, noch schmerzt es ihn überall, aber er schüttelt sich zum erstenmal wieder, die Erde fliegt aus seinem Fell, rasender Durst peinigt ihn. Er leckt etwas Nachttau von den Farnen, dann sieht er um sich. Wo ist er? Schwarze Waldmauern, von Nebel verhangen. Eine Eule streicht über seinen Kopf, im Gebüsch raschelt es. Die Füchsin — sie streicht auf der anderen Seite der Röhre in den Bau ein. Unwillkürlich knurrt er, aber es ist nur ein heiseres Röcheln, und seine zitternden Glieder sagen ihm, daß es nicht die Zeit ist, zu kämpfen.
Wo sind Herrchen und Frauchen? Der unfehlbare Kompaß in seinem Innern weist ihm die Richtung. Er trottet, er stolpert dahin, Hunger wühlt in seinen Eingeweiden. Es graut schon der Morgen, als er am Parkplatz anlangt — Nichts. Leer — Benzin- und Öllachen, über denen scheußliche Geruchssäulen stehen, er geht darum herum. Er umkreist den Platz zehnmal, zwölfmal, allmählich kehren seine Kräfte zurück, doch mit den Kräften auch der Schmerz. Seine Augen sind von Erde verklebt, von Ameisenstichen entzündet, sie eitern. Wo ist Frauchens milde Hand mit dem Wattebausch voll kühlendem Borwasser? Er reibt mit den Pfoten, reibt sich neue Erde hinein. Dann trottet er hinunter, den steilen Abhang zum See. Unten säuft er, schnüffelt, sucht... nichts.
Die Sonne ist aufgegangen, schon wird es warm. Ein großes weißes. Etwas kommt über den See geschwommen, stößt Kohlenrauch aus, hält an der Landungsbrücke. Massen von Zweibeinern entquellen dem Bauch des Ungeheuers, er beschnüffelt sie alle... nichts. Hände greifen nach ihm, Stimmen locken ihn, Hunde knurren ihn an. Er weicht vor allem zurück. Melancholie und Hunger lähmen ihn. Er schleppt sich wieder den Abhang, hinauf zum Parkplatz. Nichts. Er trabt in den Wald, geht noch einmal den ganzen Weg ab, und da — an einem Baum — Frauchens Geruch — ein Papierzettel hängt an einem Baum. Puck weiß nicht, worum es sich dreht, daß er darauf gesucht wird, aber er spürt den Geruch der Hand, die den Zettel befestigte. Wieder zurück zum Parkplatz. Ein paar Stimmen rufen ihn, rufen ihn mit seinem Namen, da wittert er in ihre Richtung. Nichts. Er dreht ab, verschwindet in den
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