Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
Vom Netzwerk:
anzunehmen.« Ich nickte nur stumpf. Er betrachtete mich aufmerksam: »Ist Ihnen nicht gut?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Könnten Sie mir irgendwas verpassen, das mir auf die Beine hilft? Ich muß unbedingt in die Redaktion.«
    Er setzte sich auf mein Bett, schob den knurrenden Puck zur Seite und untersuchte mich. »Jetzt entsinne ich mich«, sagte er, »als Sie mich vor meinem Haus aufgabelten, standen Sie bis zu den Knöcheln im Wasser, das von oben die Straße ‘runterfloß.«
    »Diagnose?«
    »Schwere Erkältung. Außerdem wahrscheinlich ein Blasenkatarrh.«
    »Ich muß in die Redaktion«, erklärte ich hartnäckig.
    Er dachte nach, zuckte die Achseln, ging an seine Tasche und gab mir eine Rolle Tabletten: »Das ist was ganz Neues, ein sogenanntes Sulfonamid. Nehmen Sie jetzt eine Tablette und abends noch eine. Es ist ein schweres Mittel. Also Vorsicht.« Er sah auf die Uhr: »Jetzt muß ich mich um Frau Frank kümmern.«
    »Frühgeburt?«
    »Ja. An sich muß sie ins Krankenhaus, aber da ist sicher alles belegt. Mal sehen, was ich mache.«
    Als ich allein war, drehte ich die Rolle Tabletten in der Hand. Mein Kopf war wüst, und die Glieder schienen mit Blei ausgegossen. »Na, also dann auf ihn mit Gebrüll«, sagte ich laut in das leere Zimmer und schluckte drei Tabletten statt einer.
    Die Gefährtin kam: »Wie geht’s dir?«
    »Mies.«
    »Ja, Dr. Sanders hat mit mir gesprochen. Sei vorsichtig mit den Tabletten. Warum meldest du dich nicht krank?«
    »Ausgeschlossen. Ist Karl noch da?«
    »Nein, er ist mit dem ersten Zug, der wieder ging, nach Schlachtensee gefahren. Er hat jetzt genug zu erzählen, läßt er dir sagen, und überhaupt genug. Vorn läutet’s Telefon, es geht also doch wieder.«
    »Ich stehe derweilen auf.«
    Als ich ins Bad ging, stand auch Puck auf aus tiefem Schlaf und wackelte mit mir. Er schien in der Vorstellung zu leben, daß er mich jetzt keinen Augenblick verlassen dürfe. Als ich geduscht hatte, folgte er mir wieder dicht auf den Fersen in den Wintergarten. Die Gefährtin goß mir Kaffee ein, echten — schwarz gekauft.
    »Wer hat denn angerufen?« fragte ich.
    »Karl. Er läßt dich nochmals grüßen.«
    »Danke. Klingt ja so, als ob er schon heimfahren wollte.«
    »Das tut er auch. Sein Manuskript ist in Schlachtensee verbrannt. Als er hinkam, war das Haus weg.«
    Unwillkürlich brach ich in schallendes Gelächter aus. Die Gefährtin schnitt eine Scheibe Brot ab und sagte: »Er hat kein Duplikat.«
    Mir war das Lachen vergangen. »Mein Gott! Vier Jahre Arbeit — wenn man sich das vorstellt! Dieses gottverdammte Rindvieh! In was für einer Welt lebt er eigentlich?«
    »Zu seinem Pech in unserer. Wie willst du denn ins Büro kommen? An den Straßenbahnen hängen sie wie die Trauben.«
    »Mit dem Rad natürlich.«
    »In deinem Zustand?«
    »Hilft ja nichts. Ich werde mal anrufen.« Ich tat es und erfuhr, daß sich das Unheil hauptsächlich in unserer Ecke ausgetobt hatte. Die übrigen Stadtteile waren kaum betroffen, die meisten Redakteure waren schon im Dienst.
    »Also«, sagte die Gefährtin, »dann eilt’s ja nicht so. Geh erst mal mit dem Kleinen an die Luft. Du siehst ja zum Gotterbarmen aus.«
    Ich widersprach nicht, rief Puck und ging auf die Straße. Dort blieb ich erschüttert stehen: eine fremde Welt. Es war ein klarer Vormittag, aber man konnte ihn nur ahnen. Die Sonne stand als Scheibe am Himmel, deren Licht sich mühsam durch bräunliche Rauchwolken durchkämpfte. Der Damm war eine Wüste zerbrochenen Glases, zerschmetterter Ziegel, Stabbrandbomben, Phosphorkanister, Flaksplitter und hunderterlei Trümmerwerks. Rechts und links qualmten noch die Ruinen, rannten rauchgeschwärzte Menschen hin und her, wühlten verzweifelt in den Trümmern nach den letzten Resten ihrer Habe.
    Puck quetschte sich an mich und starrte auf die andere Straßenseite. Zögernd gingen wir hinüber: Die Möbelwagen waren ausgebrannt, durcheinandergeworfen wie in einer Spielzeugkiste, und seine geliebte Laubenkolonie — war weg. Mein Herz zog sich zusammen, als ich mich ihr näherte. Alle Lauben, Zeugen und Erzeugnisse bescheidenen Glücks und Fleißes, lagen flach, als sei eine Straßenwalze darüber hingegangen. Nur eine große Birke stand merkwürdigerweise aufrecht und hatte in ihren entlaubten Zweigen eigenartige dunkle Lappen hängen.
    Puckchen hatte vorsichtigen Schrittes die Stätte der Verwüstung betreten. Er schnüffelte, sah immer wieder fragend zu mir auf: Verstehst du das? Wo ist das

Weitere Kostenlose Bücher