Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
Vom Netzwerk:
zu tun mit dem Grollen des äußeren Flakringes, war ein gleichmäßiges Rollen und Brausen. Ich begriff, daß es Flugzeuge waren, unheimlich viele, die sich in den Falten der durchstirnten Nacht verbargen und auf mich zurollten mit der Unaufhaltsamkeit des Schicksals. Gleichzeitig flammten die Scheinwerfer auf, mehr, als ich je gesehen hatte. Die Flak begann wie rasend zu schießen, fächernde Lichtstrahlen, aufsteigende Ketten von Leuchtspurgeschossen.
    Mit einem Satz war ich bei Puck und riß ihn in meine Arme. Er zitterte und hechelte, seine Augen waren riesengroß aufgerissen und mit einem irren Leuchten darin. Ich bot ihm ein halbes Würstchen an, das noch auf Karls Teller lag. Er wendete nur den Kopf zur Seite, zitterte so, daß seine Zähne schnatterten. Ich stand wieder auf, stopfte ihn ins Bett, legte mich in Kleidern neben ihn: »Jetzt nimm dich zusammen. Wir haben das doch nun so oft erlebt. Ist ja nichts!« Einen Moment wurde er ruhiger. Ich stand schnell auf, riß die Fenster hinter den schweren eisernen Rolläden auf, hakte sie fest. Als ich dasselbe vorn in meinem Arbeitszimmer tat, war er schon wieder neben mir, stieß einen merkwürdigen Wehlaut aus, als durch die geöffneten Fenster das Rasen der Geschütze brüllend laut hereindrang und die ganze Wohnung bis in den letzten Winkel füllte.
    In der Diele war ein Geräusch. Ich lief hin und sah Karl, der auf die Toilette sauste. In der Diele stand die Gefährtin: »Es geht ihm wie uns beim erstenmal. Was ist denn das für ein merkwürdiges Rollen?«
    »Tu mir den Gefallen und geh wieder in den Keller!«
    »Ich denke gar nicht daran. Puckchen, mein Liebes, komm, Frauchen sucht dir dein Bällchen! Wo haben wiris denn?«
    In diesem Moment hörten wir das Pfeifen. Der ganze Himmel war voll von diesem scheußlichen Schrillen, das einem durch Mark und Bein ging. Und gleich darauf kamen die Explosionen. .An tausend Stellen gleichzeitig schien sich die Erde zu öffnen. Sie, die wir unser Leben lang als das einzig Feste, Unerschütterliche gekannt hatten, schien sich plötzlich in eine andere Materie zu verwandeln und unser Häuserblock in ein Schiff, das in wilden Kurven darauf herumfuhr.
    Frauchen war in die Knie gesunken, hatte die Hände über dem Kopf gefaltet, bewegte den Körper hin und her: »Nein — nein...« In der Mitte der Diele saß Puck, die Füße weit von sich gestreckt, und nickte mit dem Kopf, auf und nieder, auf und nieder.
    Ich stand erstarrt: »Der Hund...«, hörte ich mich sagen, »sieh den Hund! Er wird wahnsinnig!« In diesem Augenblick erlosch das Licht. Es dauerte Minuten, bis ich Kerzen fand und mit bebenden Händen die erste entzündete. Frauchen hatte die Arme sinken lassen, kniete aber noch immer. Ich half ihr auf. Puckchen unterbrach sein schreckliches Nicken, sah mich entschuldigend an, klemmte sich zwischen meine Beine. Im Bad wurde Wasser gezogen, und Karl erschien, sich das Hemd in die Hose stopfend: »Das ist ja furchtbar!« Im gleichen Augenblick folgte ein schmetternder Schlag. Der ganze Block machte einen Satz. In dem Zimmer nebenan fiel verschiedenes hin. Von irgendwoher, anscheinend aus dem Luftschutzkeller, kam Geschrei. Karl stöhnte auf und verschwand wieder in seiner Toilette. Ich zündete noch eine Kerze an, gab sie der Gefährtin: »Schau nebenan nach, was da passiert ist. Ich gehe mal auf die Treppe.«
    Am Fuße der Treppe sah ich im flackernden Kerzenschein den riesigen Meier knien. Er hielt sich die Ohren zu und machte dieselben schaukelnden Bewegungen wie Puck.
    »Hat’s dich erwischt?« fragte ich.
    Er stöhnte nur: »Die zermalmen uns alle — alle!«
    Ich stieß ihn mit dem Fuß an. Aus irgendeinem Grunde hatte ich plötzlich eine rasende Wut auf ihn: »Reiß dich zusammen, Mensch! Knips wenigstens deine Taschenlampe an, du fetter Jammerlappen!«
    Er murmelte etwas, tat es aber, angelte nach seinem Stahlhelm und stülpte ihn auf. Aus dem Keller schrie man nach ihm. Die eiserne Tür wurde aufgerissen, seine Frau rannte die halbe Treppe zu uns herauf. Sie glich — mit aufgelöstem Haar und über und über mit Staub bepudert — einem Gespenst: »Wo bist du denn bloß? Es hat die andere Eisentür aus den Angeln gerissen! Im Keller ist alles durcheinander! Frau Frank ist von ihrem Bett geschleudert worden, ich glaube, sie hat eine Frühgeburt! Man muß sofort einen Arzt holen! Was machst du denn bloß hier?«
    »Er kam gerade vom Dach«, sagte ich. »Da hat es ihn umgeworfen.«
    Sie sah mich mit leerem

Weitere Kostenlose Bücher