Puck
der Schwelle, sprang laut bellend an mir hoch: Komm, draußen ist es wunderbar!
Die Sonne schien blendend. Ich blieb vor dem Haus stehen, sah mich um, legte den Kopf zurück, um die ungeheure Wand hinter dem Haus zu betrachten. Ihre Türme hatten sich einen perlmuttfarbenen Wolkenschal umgewunden, der in sanftem Wind von einem zum anderen Turm wehte. Der Bach neben mir war am Auftauen. Unter dünnem, silbernem Eis sah man ihn schon fließen, hörte ein ganz feines Glucksen und Klingeln. Herrgott, war das schön! Mitten im großen Untergang diese Insel! Wenn nur nicht der Hunger wäre.
Puck, vor mir herspringend, hatte einen Ast aus dem Schnee gezerrt und schüttelte ihn wild knurrend hin und her. Der Futternapf vom Harras oben beim Heimhilger, das Kotelett vom Bahnhof und die milden Gaben Susis hatten offenbar genügt, sein heißes Blut wieder in Bewegung zu bringen. Ich ging neben dem Bach her, dessen Bett ich sonst als bequemsten Weg benutzt hatte, der aber, wie gesagt, schon zu schmelzen begann. Dadurch bekam Puck die Sicht auf den Lampersberger-Hof, und ich bemerkte leider zu spät, daß er plötzlich Kurs darauf nahm. Gerade sein krummes Schwänzchen sah ich noch um die Hofecke verschwinden. Ich schrie ihm nach — er folgte nicht. Böser Ahnungen voll, setzte ich mich durch den tiefen Schnee in Trab. Mein Herz, solcher Anstrengungen noch gar nicht wieder fähig, klopfte wie rasend, in wenigen Sekunden und während mir dauernd schwarz vor Augen wurde, schrie ich: »Herr Lampersberger — Lampersberger — nehmen Sie den Puck fest — haltet den Ajax fest, Leute!«
Als ich endlich in den Hof einbog, war es schon zu spät. Puck und Ajax standen sich über dem Futternapf gegenüber. Ajax sah noch einigermaßen friedlich aus — eher erstaunt, während Pucks Gesicht eine einzige fletschende Grimasse wilder Kampfeslust war. Offenbar glaubte er seit dem Besuch beim Heimhilger, daß alle Futtemäpfe großer Hofhunde ihm gehörten.
Vorsichtig holte ich die Leine aus der Tasche, während ich dem Bluthund gut zuredete: »Sei brav, Ajax, guter Ajax — so ists recht, Ajax!« Er sah mich an, erkannte mich wieder und wedelte kurz. Dann blickte er aufmerksam auf Puck, der seinen Stmppelbart mit den gefletschten Zähnen immer mehr über den Napf schob. Jetzt war ich neben Puck, griff mit der einen Hand nach seinem Halsband, während ich die Leine in der anderen hielt. Mit einer schattenhaften Bewegung wich er aber einfach zur Seite, sah mich einen Moment strahlend an: Großartiger Jux, was? Endlich eine solide Prügelei!
»Puck!« schrie ich. »Kommst du sofort her? Bist du wahnsinnig?«
Ajax stand langsam auf. Ich sah die ungeheure Stärke seines Nackens, das Spiel der mächtigen Muskeln an Schultern und Schenkeln. Wohlgenährt, wie er war, begriff er offenbar nicht ganz, worüber Puck sich so aufregte, und steckte den dicken Kopf mit den schweren Falten in den Napf, um nachzusehen, ob es darin wohl Fletschenswertes gäbe.
Im nächsten Augenblick griff ihn Puck von der Seite an und schlug ihm die Hauer in den Schenkel, daß Ajax vor Schmerz aufschrie. Er fuhr, nun auch mit einer Teufelsmaske der Wut, herum, aber Puck war schnell wie ein Florettfechter weg und saß ihm nunmehr am anderen Schenkel. Ajax gab noch einmal einen tiefen Wehlaut von sich, schüttelte Puck mit einem Ruck ab und war mit einer Schnelligkeit, die ich dem schweren Hund nie zugetraut hätte, über ihm. Einen Moment blieben ihre Zähne ineinander verklammert. Es gelang Puck noch einmal, sich unter dem furchtbaren’ Gegner zur Seite zu quetschen. Jetzt ahnte er wohl, mit wem er sich eingelassen hatte, und wollte ausweichen, aber Ajax, der auf den Mann dressierte Wächter und alte Kämpe, war nun richtig in Fahrt. Mit einem mächtigen Satz stürzte er sich auf Puck, der unter seiner Last in die Knie ging, und grub ihm seine Eisenkiefer in Hals und Schulter. Puck schrie wild auf, sein Blick mit den vor Todesangst weit aufgerissenen Augen traf mich, verschleierte sich dann, während Ajax ihn ganz gemächlich unter einen Leiterwagen trug. Puck hing wie ein totes Lamm in seinen Fängen.
Bis jetzt hatte ich erstarrt dagestanden und nur nach Lampersberger um Hilfe geschrien. Wie im Traum sah ich, daß er aus dem Haus gelaufen kam, einen Stock schwingend. Gleichzeitig war ich auf Ajax zugelaufen, und es gelang mir, ihm die Leine um den Hals zu wickeln. Die Leine riß, und er kroch mit seiner Beute weiter unter den Wagen. Lampersberger neben mir ließ den
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