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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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glücklich an: »Ich soll ihm wieder die Augen wischen! Warte, mein kleiner Kerl.« Sie kletterte aus ihrer wärmenden Decke, ging mit steifem Rücken zur Kommode und holte eine noch halbvolle Flasche Borwasser und ein Läppchen heraus. Dann kniete sie mit knackenden Gelenken nieder und machte Pucks Augen, Ohren, Zähne und Pfoten sauber.
    Ich sah, daß sie ganz rot im Gesicht dabei wurde, und protestierte: »Das kann doch nun wirklich einer von uns tun!«
    Sie wehrte streng ab. »Das ist meine Aufgabe!« richtete sich dann auf, kroch wieder in ihre Decke und lächelte uns an: »Wenn das alles mal zu Ende ist und ich noch lebe und daran zurückdenken kann, werde ich feststellen, daß mir der kleine Kerl hier das Leben gerettet hat. Wenn ich mir vorstelle, wie es ohne ihn für mich wäre...«
    Puck, frisch gesäubert, erschien mit seinem Bällchen, warf die Hand der alten Dame von der Sessellehne und bellte sie an. Sie streichelte seinen Kopf, warf ihm den Ball: »Ich weiß nicht, wie’s euch geht«, sagte sie mit ihrer tiefen, heiseren Stimme, »aber für mich ist er wie ein Streifen Licht, der in diese alte Bude fällt.«
    Das Frauchen nickte, sah mich an: »Vielleicht hat er uns auch das Leben gerettet — da oben, beim Heimhilger. Wenn wir nicht an ihn gedacht hätten und was aus ihm würde, vielleicht wären wir wirklich sitzen geblieben im Schnee.«
    »Das war euer Glück!« sagte die Professorin. »Der da oben hätte es euch nie verziehen. Was habt ihr denn schon auszustehen außer dem bißchen Hunger? Er hat uns hier zusammengebracht in unserem Elfenbeinturm. Die Welt geht unter, Städte verbrennen, Millionen fallen und verhungern, und wir sitzen hier erster Rang, Loge, und sehen zu. Der Teufel soll uns holen, wenn wir nicht jeden Morgen Gott auf den Knien danken.«
    Wir schwiegen. Die alte Dame sah mich an: »Würden Sie mir das Fernglas geben?«
    Ich holte es ihr, sie sah auf die Stadt nieder und musterte dann die Berge: »Es wird Frühling. Bald wird die große Lawine abgehen.«
    Puck hatte genug von seinem Ballspiel. Er nahm die Tannenzapfen in Angriff, die ich gestern gesammelt und neben den Ofen gestapelt hatte. Das Geräusch, mit dem er sie zerfetzte, übertönte das Knallen und Knattern des Feuers.
    »Gehst du heute wieder zum Bahnhof?« fragte das Frauchen.
    »Auf alle Fälle. Hoffentlich kommen die Jagdbomber wieder. Es heißt übrigens, daß der Bahnhofswirt die fremden Durchreisenden beschummelt. Er gibt ihnen von dem bißchen, das man auf die Karten bekommt, noch zwanzig Prozent weniger und verkauft das andere an die Schieber.«
    »Und außerdem«, sagte die Professorin, »hat er hinten am Perron eine kleine Tür, da läßt er die armen Kerle ‘raus, die Soldaten, die nicht mehr zurückwollen. Die Feldgendarmen stehen nur am offiziellen Ausgang. Denen an der Hinterpforte nimmt er dafür alles ab, was sie bei sich haben, der miserable Hund.«
    »Heute nehme ich zwei Kannen mit!« sagte ich entschlossen.
    Plötzlich war etwas verändert. Puck hatte aufgehört, die Zapfen zu knacken, saß da, hoch aufgerichtet wie der steinerne Boxer, und lauschte. Und dann hörten wir es auch. Noch war es fern, kaum hörbar. Die Professorin nahm wieder das Glas und suchte den Horizont ab: »Vollkommen klar. Es muß hinter den Bergen sitzen. Aber jetzt schon ein Gewitter?«
    »Es ist kein Gewitter«, sagte ich, »das ist die Front.«
    Die Professorin setzte mit zitternder Hand das Glas ab: »Die Front!? Irren Sie sich nicht?«
    Ich schüttelte den Kopf: »Nein. Es klang genauso, wenn in Berlin der äußere Flakring schoß. Nicht so laut, aber unverkennbar. Puckchen hat’s auch erkannt. Ist ja nichts, Puckchen, ist ja noch weit weg.«
    Wieder nahm die Professorin das Fernglas: »In der Stadt haben sie es auch gehört.«
    Ich stand auf: »Na, dann will ich mal ‘runtergehen. Ich nehme mein Geld mit und gehe auch in die Läden.«
    »Was willst du denn in den Läden?« fragte das Frauchen.
    »Den Leuten sagen, daß es keinen Zweck hat, die Sachen noch aufzubewahren! Sie werden ihnen ja doch beschlagnahmt — wenn sie nicht vorher geplündert werden. Wo sind denn die Kannen? Die Einholtasche könnt ihr mir auch mitgeben.«
    »Jetzt hat es wieder aufgehört!« sagte die Professorin.
    »Um so besser, da kriege ich das Puckchen leichter ‘raus. Komm, Pucki, Gäßchen.«
    Er vergewisserte sich eine Weile, daß es wirklich still war, griff sich dann einen Tannenzapfen und schoß aus dem Zimmer. Den Zapfen verlor er auf

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