Puerta Oscura - 01 - Totenreise
Penthauses nebenan stand und rauchte. Er hatte ihn gesehen und kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, was sich da in der Dunkelheit bewegte.
Ein Zeuge. Wie unpassend.
Der Mann durfte ihn nicht weiter beobachten. Mit wenigen Sprüngen war er bei ihm auf der Terrasse und schlitzte mit einer einzigen Bewegung die Kehle seines Opfers auf. Kein Laut war über dessen Lippen gegangen. Dann warf er den reglosen Körper über die Brüstung und leckte sich die Blutspritzer ab, die ihn im Gesicht getroffen hatten. Varney wartete, bis er den dumpfen Aufprall des Körpers unten auf dem Gehsteig hörte.
Die Leiche auf der Straße würde in Kürze für Aufruhr sorgen. Doch die Sache hatte auch ihr Gutes: Der »Vorfall« würde die Polizei ablenken und sie zu einem anderen Haus führen als dem, das den wertvollen Schatz, die Dunkle Pforte, beherbergte.
Außerdem freute er sich schon auf das Festbankett. Er hatte vor, sich mit dem frischen Blut der Beschützer der Pforte zu versorgen. Etwas Erleseneres konnte er sich nicht vorstellen; das perfekte Mahl für einen perfekten Sieg.
Auf einmal war aus dem Innern der Wohnung ein Geräusch zu hören und eine Lampe ging an. Varneys jüngstes Opfer schien nicht allein zu leben. Der Vampir wartete geduckt. Er konnte nicht einfach irgendwo eindringen, doch falls jemand auf die Terrasse kam …
»Frank?«, rief eine schläfrige Frauenstimme.
41
BEATRICE KEHRTE UMGEHEND wieder ins Haus zurück. Pascal hörte sie sprechen, noch während ihr Körper seine gewohnte Form annahm.
»Man hat von außen ein paar Bretter an die Tür genagelt, damit man sie nicht öffnen kann«, berichtete sie verwundert. »Und man hat mit Kalk ein paar Kreuze daraufgezeichnet.«
Pascal wusste zwar nicht, was das bedeutete, doch er war beunruhigt.
»Das klingt nicht gut, Beatrice. Hast du Leute gesehen, andere Häuser?«, fragte er.
»Viele Männer, Bauern, würde ich denken, andere auf Pferden und bewaffnet mit Schwertern«, teilte sie mit. »Es gibt Schweine und Ratten und offene Feuerstellen. Allzu viele Häuser sind es nicht. Ich glaube, wir sind im Mittelalter.«
Pascal nickte.
»Könnte zutreffen.« Er seufzte. »Solch einen großen Zeitsprung hatte ich nicht erwartet.«
Er drehte sich um und durchforschte erneut das Innere des Hauses, das noch immer von dem üblen Geruch durchzogen war. Sein Blick blieb an der Treppe hängen, die nach oben führte. Kein Geräusch war von dort zu hören.
»Lass uns dort oben nachsehen«, sagte Pascal nervös. »Vielleicht können wir durch irgendein Fenster klettern. Das ist immer noch besser, als die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, indem wir die Tür aufbrechen.«
»In Ordnung.«
Pascal eilte die Treppe hinauf. Er sah auf die Uhr. Jede Zeitreise bedeutete einen unaufhaltsamen Countdown, und es waren bereits anderthalb Stunden von den vierundzwanzig vergangen, die sie zur Verfügung hatten.
Oben, wo der Gestank beinahe unerträglich wurde, befand sich ein mit wuchtigen Schränken ausgestattetes Zimmer; durch das geschlossene Fenster fiel nur spärliches Licht. Beatrice, die gleich nach Pascal heraufgekommen war, versuchte vergeblich, es zu öffnen.
»Es ist ebenfalls zugenagelt«, sagte sie und schob die schweren Vorhänge beiseite, damit mehr Licht hereinkam.
Da entdeckten sie ein Bett: Auf einem schmutzigen Strohsack lag der ausgemergelte Körper eines sterbenden Mannes.
Der Kranke befand sich in einem erbärmlichen Zustand: Er zuckte unter Fieberschüben, seine Haut war mit dunklen Flecken und blauen schillernden Pusteln übersät und am Hals hatte er mehrere Geschwülste, von denen ein paar vereitert waren.
»Verdammt …« Pascal trat zugleich angeekelt und mitfühlend zurück.
»Sieh«, sagte Beatrice mit zitternder Stimme.
Bleich folgte Pascal ihrem Finger. Sie zeigte auf eine Zimmerecke, wo auf einer einfachen Pritsche eine Frau lag, tot, mit ebensolchen Geschwüren wie der Mann.
Pascal stockte der Atem und er begriff, in welch eine Hölle die Kammern des Kronosfelsens sie schickten.
»Aber wie konnten sie die beiden hier nur einsperren?«, stammelte er schockiert. »Die Menschen haben kein Herz …«
»Sie haben Angst«, dachte Beatrice und ahnte, welcher Bedrohung sie ausgesetzt waren.
»Pascal, du solltest rasch mit deinen Freunden sprechen«, empfahl sie ihm. »Wir müssen wissen, womit wir es hier zu tun haben.«
***
Daphne richtete sich schlagartig auf; eine neue Nachricht aus dem Jenseits hatte sie
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