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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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Haus. Je mehr sich die Handlung auch auf andere Zimmer erstreckte, desto schlimmer wurde das Gefühl. Es lag in der Natur der Sache, dass die Crew-Typen, die jetzt schon seit mehreren Jahren immer wieder im Haus waren – und es in gewisser Weise besser kannten als wir –, sich mit der Zeit darin immer mehr zu Hause fühlten und häufiger mal für eine Pinkelpause reinkamen. Ich erinnere mich an einen Dreh, als ich durcheinander bekommen hatte, wo genau sie ihr Set aufbauen wollten, und es unterlassen hatte, das Schlafzimmer aufzuräumen. Später sagte ein Crew-Typ zu mir – übrigens derselbe, der mir von Blue Velvet erzählt hatte: »Ich bin's eigentlich nicht gewohnt, anderer Leute Unterwäsche aufzusammeln.« Ich war versucht zu sagen: Dann renn eben nicht um neun Uhr morgens in deren Schlafzimmer! Aber er bezahlte ja dafür, in meinem Schlafzimmer zu sein.
    Gibt's da nicht noch einen Beruf, bei dem Leute dafür bezahlen, in dein Schlafzimmer zu dürfen?
    An einem anderen Tag waren wir schon im Hilton, als ich merkte, dass ich etwas vergessen hatte. Ich fuhr mitten im
Dreh zum Haus zurück. Nachdem ich das Gesuchte gefunden hatte, lief mir beim Rausgehen jemand von der Crew über den Weg. Er hatte Essteller in den Händen, die mir bekannt vorkamen – wir hatten sie zur Hochzeit geschenkt bekommen.
    Er wurde nervös, offenbar war ihm bewusst, dass er eine Grenze überschritten hatte. Er erzählte mir, die Stars in ihrem Verpflegungswagen hätten nach richtigen Tellern gefragt. Das hier seien die ersten gewesen, die er gefunden habe. In diesem ungemütlichen Moment auf dem mit Ziegeln gepflasterten Weg schoss mir etwas durch den Kopf, das Arnie, mein Nachbar von gegenüber, immer wieder und auf eine ziemlich passiv-aggressive Weise mir gegenüber geäußert hatte, wenn ich ihn auf dem Bürgersteig überholte. Zweifelsohne als Kommentar zur One Tree Hill -Sache gedacht, hatte er gesagt: »Meine Frau und ich finden, wir haben nicht viel, aber es gehört wenigstens uns.«
    Ich war mir inzwischen einigermaßen sicher, dass uns sämtliche Nachbarn hassten. Sie hatten bei unserem Einzug sicher gebetet, dass wir den Vertrag der vorigen Eigentümer nicht weiterlaufen lassen würden, dass der Albtraum endlich ein Ende hätte. Die Drehs störten unweigerlich die Psychogeografie des gesamten Karrees. Wie unerträglich, sich von Polizisten in die eigene Straße durchwinken zu lassen! Das Licht, der Lärm. (Die Crew bemühte sich zwar draußen immer darum, zu flüstern, aber bei so vielen Leuten entsteht einfach ein Summen wie in einem Bienenstock.) Ich merkte, wie schrecklich ich das alles finden würde, wäre ich einer von ihnen. Und warum überhaupt unser Haus? Anthropologisch gesehen, entstand in unserem kleinen Viertel schlicht und ergreifend schlechtes Karma. Was nicht gut ist. Was man nicht will. Denn wenn Armageddon naht und das Dorf plötzlich als primitiver Staat funktioniert, meidet jeder deinen Clan und verweigert ihm Ressourcen.
    Als es dann zu einer Meinungsverschiedenheit wegen der
Bezahlung kam – wir dachten, uns stünde noch etwas für einen Zusatztag zu –, machte mein Unterbewusstes daraus eine Ausflucht (wobei ich eigentlich keine gebraucht hätte – aber dass sie sich wegen des Geldes so anstellten, war daneben, immerhin hatten wir uns noch nie wegen irgendwas beschwert). Schließlich sagten wir ihnen eines schönen Tages, dass sie bei uns nicht mehr filmen dürften. Wir hatten die Schnauze einfach gestrichen voll. Und ich unterstellte ihnen, dass sie schon den Dachboden ins Auge fassten. Diesen Verdacht habe ich nie bestätigt bekommen, aber so sauber und aufgeräumt, wie der Boden aussieht, wäre das der nächste logische Schritt gewesen. Psycho-Derek ist gar nicht tot, er ist auf dem Dachboden und bohrt Gucklöcher. Unsere Tochter wurde älter, alt genug, um zu fragen, warum wir regelmäßig aus dem Haus aus- und dann gleich wieder einzogen und wer in der Zwischenzeit darin wohnte. Wenn mein Gehirn es schon nicht schaffte, mit den metaphysischen Implikationen der ganzen Chose umzugehen, wie sollte ihr das dann gelingen? Wir bekamen einen Anruf von einem Produzenten, der uns sehr viel mehr Geld bot – damit Peyton sich wenigstens verabschieden konnte –, aber da war die Sache für uns schon längst zum Prinzipiending geworden, und es fühlte sich gut an, nein zu sagen und die Höhle zurückzufordern. Und so fällte ich aus überwiegend kleinlichen und neurotischen Gründen eine

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