Pulphead
Gesichtspunkten hatte uns die Szene nur insofern betroffen, als wir unsere Küche umsonst geputzt bekommen hatten. Wir hatten schon vor schlimmeren Problemen gestanden.
Dann trat Psycho-Derek auf den Plan.
Viel später, als wir nicht länger ein freundschaftliches Verhältnis mit One Tree pflegten, ertappte ich mich bei der Frage, ob Psycho-Derek vielleicht nur als Instrument erschaffen worden war, um unser Haus zu missbrauchen und um auf Nummer sicher zu gehen, dass wir den Namen Peyton Sawyer nie wieder vergessen würden. Wer also war Psycho-Derek?
In einem anderen Land und in einer anderen Welt ist Ian Banks ein junger, blonder schottischer Schriftsteller. Eines Abends fährt er mit seiner hübschen Frau noch ein bisschen durch die Gegend. Er ist betrunken und spielt mit dem Lenkrad rum. Crash. Sie stirbt. Vor lauter Schuldgefühlen und Trauer sucht er im Internet nach Mädchen, die aussehen wie seine Frau. Und, oh Wunder, seine Frau sah genauso aus wie Peyton. Er stellt ein paar Nachforschungen an. Er findet raus, dass Peyton einen Bruder hat, von dem sie direkt nach der Geburt getrennt wurde. Dessen Name: Derek. Glühbirne! – Als dieser Bruder wird er sich ausgeben. Mit dieser Tarnung schleicht er sich in ihr Leben ein. Aber Peyton erkennt, dass er ein gewalttätiger Besessener ist. Sie schmeißt ihn raus. Und er bläst zum Angriff. Auf unser Haus.
Zum Auftakt fesselt er Peyton und ihre beste Freundin Brooke im Keller, dann vergewaltigt er beide ( One Tree wurde düster, und diese Düsternis camp finden zu sollen, warf mich aus der Serie raus – ich kapiere nicht, wie man so unreif stupide sein und psychotische Teenager-Vergewaltigungsfanta
sien verfilmen kann, aber wie gesagt, die Ironie des Genres hat sich weiterentwickelt und dabei neue Abgründe erobert). In einer Folge wird Psycho-Derek unsere Treppe hinabgestoßen, wobei er, um sich im Fallen abzufangen, mit aller Gewalt nach dem alten Geländer greift. In einer anderen wird er durch unser Schlafzimmerfenster auf ein auf unserem Vorgartenrasen liegendes Rettungskissen geworfen. Unser Haus wurde zum Stunt-Haus. (»Ist denen doch egal, die sind im Hilton, die brauchen das Geld!«)
Nach solchen Sachen fiel der Crew das Aufräumen nicht ganz so leicht. Als wir nach Hause kamen, war nicht mehr alles so wie vorher. Der Garten lag voller Sicherheitsglassplitter. Dank Psycho-Dereks kräftigem Griff war der Handlauf an der Treppe deutlich wackliger geworden und schwankte mehrere Zentimeter hin und her (als wir die Szene im Fernsehen sahen, mussten wir feststellen, dass der Stunt-Typ mit seinem gesamten Gewicht rücklings auf das Geländer gekracht war). Um gar nicht erst davon zu anzufangen, dass sich der Keller in unseren Köpfen jetzt in eine ehemalige BDSM -Sex-Grotte verwandelt hatte, eine Grotte allerdings, in der es auf das gegenseitige Swinger-Einverständnis nicht ankam. Psycho-Derek hatte das Haus mit einigen ernsthaft üblen Bildern imprägniert, solchen, die zu entdecken unserer Tochter vermutlich keinen allzu großen Spaß bereiten würde, wenn sie selbst einmal im Teenager-Alter sein würde – das Keller-Bondage-Vergewaltigungsvorspiel hatte sich am Abend von Peytons Highschool-Abschlussball ereignet. (Der Ball meinte es sowieso nicht gut mit unserem Haus: Brooke, Peytons Freundin, hatte es am selben Tag mit Eiern beworfen, weil sie wegen irgendwas sauer auf Peyton war; gestörte Brooke-Fans stellten diesen Vorfall später »in echt« nach und warfen Eier auf genau dieselben Stellen unseres Hauses; wir gingen zumindest davon aus, dass es Fans waren; es können natürlich auch Vandalen gewesen sein.)
Ich kann nicht alles auf Derek schieben. Und ich sollte diese Gelegenheit nutzen, um dem echten Derek, Peytons wirklichem Halbbruder, meinen Dank auszusprechen, denn es stellte sich heraus, dass er ein Schwarzer war, der in seiner College-Jacke genau im richtigen Moment auftauchte, um Peyton vor Psycho-Derek und unser Haus vor weiterer Traumatisierung zu retten. Nein, zum Zeitpunkt, als wir aus dem Vertrag ausstiegen, war Psycho-Derek längst neutralisiert.
Was war passiert? Keine Ahnung, wie ich das erklären soll, außer: Es war wohl so ein Höhlenmenschen-Ding. Instinkte erwachten, die seit Generationen in meinem Genom geschlummert hatten. Wer bitte waren diese Fremden unter meinem Felsdach? Warum gingen sie ein und aus, ohne anzuklopfen und ohne sich zu verabschieden, warum redeten sie die ganze Zeit von »Peytons Haus«? Es war mein
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