Pulphead
meinte ich, »es gibt Wiederholungen, wahrscheinlich kommt es manchmal noch.«
Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein besorgter Ausdruck. Sie stellte sich richtig hin, die Beine weit auseinander, breitete die Arme aus und sah von Zimmer zu Zimmer.
»Sind wir jetzt gerade im Fernsehen?!«, fragte sie nach.
»Ich glaube nicht«, sagte ich.
Das Treiben der Lämmer
»Die Geschichte der Menschheit ist vor allem die Geschichte menschlicher Gewohnheiten, und aus diesem Blickwinkel betrachtet, wissen wir sehr wenig über die Geschichte der Tiere. Aber auch Tiere ändern ihre Gewohnheiten.«
John Burdon Sanderson Haldane (britischer Genetiker),
What Is Life? (1947)
»Die Tiere verhalten sich anders, aber ich kann Ihnen nicht sagen, warum.«
Inusiq Nasalik (ein damals achtundachtzigjähriger Inuit)
am 6. September 2004
Letztes Jahr bekam ich von einem Magazin die Anfrage, ob ich einen Text über die Zukunft der Menschheit schreiben wolle. Als Autor, der sich sporadisch in die niederschmetternden geistigen Tiefen der Popkulturkritik begeben hatte, war ich dafür wohl ein naheliegender Ansprechpartner. Trotzdem nahm ich mir vor, den Auftrag nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen. Die Zukunft der Menschheit ist schließlich etwas, mit dem wir uns ernsthaft beschäftigten sollten, denn trotz der Unsummen, die für diese riesigen, den Weltraum abtastenden Funkschüsseln und Forschungssatelliten und was nicht alles aufgewendet werden, existiert nicht das kleinste Fitzelchen eines belastbaren Beweises, mit dem sich die rationale Annahme widerlegen ließe, dass das Universum jenseits der blauen Kugel, auf der wir leben, nichts als eine unendliche Ausdehnung gefühlloser Materie ist. Wir sollten uns also darum
kümmern, dass die Sache hier weiter rund läuft. Meine Meinung.
Um einen ersten Einblick zu bekommen, verbrachte ich ein paar Tage am Future of Humanity Institute an der Universität von Oxford in England. Ich rief die Frau an, die mir als die weitsichtigste Mitarbeiterin bei der nationalen Katastrophenschutzbehörde empfohlen worden war. Ich sprach mit jedem selbsternannten und nicht auf Anhieb eindeutig wahnsinnigen Futurologen, der sich auf meine Anfrage hin meldete – Bill Lilly von der New School for Human Advancement erwies sich als besonders entgegenkommend. Ich redete mit jemandem vom Vatikan. Der Vatikan hat tatsächlich einen Zukunftsexperten, im Grunde nichts weiter als ein hauseigener Crack für die Offenbarung des Johannes. Um es kurz zu machen, möchte ich, dass Sie Folgendes wissen: Ich habe mich monatelang bemüht, über etwas anderes zu schreiben als über das, worüber ich jetzt letztendlich doch schreibe, nämlich über eine Tangente, die schon früh während meiner Recherche aufgetaucht ist, aber sofort »Karrierekiller!« schrie, weshalb ich sie zugunsten von Themen wie der Nanotechnologie, die in absehbarer Zukunft außer Kontrolle geraten wird (die Leute am Future of Humanity Institute haben das im Blick – Sie können also beruhigt sein), wiederholt zur Seite schob. Aber während ich alles Erdenkliche probierte, um ein paar verlässliche Halbwahrheiten über die Zukunft herauszufinden, die Sie auf Ihrem Flug nach Dallas, oder wo auch immer Ihre Angehörigen wohnen – und ich möchte Ihnen nahelegen, sie bald zu besuchen, ich nämlich tue das in diesem Jahr, versprochen! –, lesen können, wurde mir klar, dass Leute, deren Beruf das seriöse Nachdenken über die Zukunft ist, einem nichts erzählen, was nicht übervorsichtig formuliert, verklausuliert oder vierfach belegt ist, da ja – und das begriff und verarbeitete ich nur langsam – niemand weiß, was in der Zukunft passieren wird.
Mein Erstaunen über diese doch ziemlich schlichte Erkenntnis zeigte mir, in welchem Ausmaß ich, dank Hollywood oder meiner Paranoia, unterbewusst den Glauben an die Existenz einer Person – an einen früh in die mittleren Jahre gekommenen Typen, entweder Jude oder Asiate (in der Comedy-Variante: Ire) – verinnerlicht hatte, die in den Eingeweiden eines Regierungsgebäudes hockt und tatsächlich weiß, was in der Zukunft passieren wird, deren Genuschel man Beachtung schenken muss, deren Stimmungslagen mit Sorge, wenn nicht sogar mit Beunruhigung verfolgt werden müssen und deren Existenz allein schon Anlass ist für eine leichte, dauerhafte und wohlbegründete Furcht, und zwar weltweit. Das letzte Zucken eines Religionsgens? Wahrscheinlich. Ich weiß nur, dass ich es als große Befreiung
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