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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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er, ging zu einem weiteren, größeren Computer in der Büroecke und fuhrwerkte an ihm herum.
    Meinen Ordner hatte ich ihm bereits gezeigt, als wir uns an den Tisch gesetzt hatten. Bei meinem Ordner handelte es sich eher um eine Aktenmappe. Sie enthielt Ausschnitte und Ausdrucke von allen Artikeln, die ich im guten letzten Jahr archiviert hatte. Die meisten davon hatte ich als Erstes an Freunde gemailt, versehen mit witzigen Betreffzeilen nach dem Motto »Wappnet euch!« Einer der glücklichen Empfänger antwortete nach der dreißigsten oder vierzigsten Nachricht dieser Art: »Weißt du eigentlich, dass es einen Typen gibt, der wirklich glaubt, dass das passiert?« Als ich zurückschrieb: »Ja, mich!«, schickte er noch eine Mail: »Stimmt, aber der andere Typ erforscht Tiere wissenschaftlich.«
    Als ich Livengood meine Mappe zeigte, gab er einen einzigen lauten Lacher von sich und sagte: »Seitdem die Leute wissen, dass es uns gibt, bekommen wir das jede Woche.«
     
    Ich will Sie nicht für dumm verkaufen – zu diesem Zeitpunkt wusste ich bereits, dass Livengood mit »uns« nicht sich und seine Unikollegen meinte, sondern sich und eine Handvoll ver
sprengter Besessener: Blogger, Amateurnaturforscher, von ihrem ersten Kontakt mit der Legitimität des Querdenkens noch ganz beduselte Sci-Fi-Leute. Und wahrscheinlich auch Leute wie mich, die ohne ehrenvollen Grund hilflos darauf fixiert waren, in den Nachrichten ein kabbalistisches Muster zu erkennen. Dieses »Wir« hat sich bis jetzt noch keine griffige Abkürzung gegeben, hat noch auf keiner Konferenz Thesenpapiere verteilt und jenseits der vereinzelten »Eine andere Meinung«- O-Töne in der ein oder anderen Agenturmeldung auch noch kein mediales Profil gewonnen.
    »Sehen Sie sich das ruhig mal an«, sagte Livengood und rollte mit seinem Stuhl zur Seite, um mir Platz zu machen. Auf dem Monitor war eine große, vielfarbige Weltkarte, rund wie eine alte Seekarte. Die Landmassen und Küstenlinien waren gespickt mit schwarzen, ungefähr bleistiftspitzengroßen Pünktchen. Auf dem offenen Meer gab es vielleicht fünfundzwanzig verstreute schwarze Punkte. Mit freundlicher Heiterkeit (als würde er einen neuen Kollegen durch die Büroräume führen) sagte Livengood: »Das ist alles bestätigt, und das meiste ist aus den letzten sechs Jahren.«
    »Und was ist das genau?«
    »Klicken Sie doch einfach mal drauf!«, sagte er, als hätte er sich schon gefragt, wann ich endlich auf diese Idee kommen würde.
    Dann saß ich mindestens eine halbe Stunde lang da. Irgendwann stand Livengood auf und ging den Flur hinunter. Stimmt: Meine schmale Presseschau, auf die ich so stolz gewesen war, sah im Vergleich zu dem, was Livengood und seine Hiwis zusammengetragen hatten, wie ein Daumenkino aus dem Überraschungsei aus. Ich sollte erwähnen, dass Vorfälle, die es auf seine Liste schaffen wollen, zwei zugegebenermaßen weiche, aber immerhin existierende Kriterien erfüllen müssen: Es dürfen (a) keine Falschmeldungen sein – sondern Begebenheiten, die sich durch unabhängige Recherchen überprüfen lassen –
und (b) keine offenkundigen Verwechslungen. Ich kann Sie nur ermuntern, diesen Geschichten selbst nachzugehen, mithilfe von Google, LexisNexis, in einigen Fällen auch anhand von Artikeln aus der Zeitschrift Animal Behavior Abstracts (auf dem Regal hinter Livengoods Schreibtisch befand sich eine Sammlung, die vollständig aussah); Sie brauchen dafür keine windigen Boulevardblätter wie die Weekly World News , Sie finden solche Sachen auf den Websites der BBC , der Nachrichtenagentur AP und der Zeitschriften Science and Nature , Organen also, die durchaus ein gesteigertes Interesse daran haben dürften, nicht verarscht zu werden. Wie auch immer: Ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht mal von den normalen Vorgängen im Tierreich genug Ahnung habe, um derart viele Anomalien zusammenzufantasieren.
    Ich fand heraus, dass man durch Anklicken mancher der kleinen Pünktchen zu einer Vielzahl von Vorfällen kam, die meistens – aber auch nicht immer – den Aktivitätsvektor einer einzelnen Art darstellten. Es gibt zum Beispiel vier kleine englische Hafenstädte, wo verschiedene Seevogelarten angefangen haben, Menschen zu attackieren. Ein Schwan kam dort an Land, zog einen Hund ins Wasser und ertränkte ihn. Anhand der konkreten Zahlen sieht es so aus, als seien Vögel die aktivste Klasse, wenn es um greifbare Erscheinungsformen jener rätselhaften Verschiebung im Verhalten

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