Pulphead
only daughter / Is Bindi the Jungle Kid.«)
Tatsache ist, dass aus den, grob geschätzt, dreihundert Jahren, in denen Menschen sich zum einen schwimmend in mehr oder weniger flachen Gewässern bewusst oder unbewusst in unmittelbarer Nähe zu Stachelrochen aufhalten und zum anderen ungewöhnliche Dinge aufzeichnen, die ihnen in oder auf dem Meer passieren, kein einziger Fall überliefert ist, in dem ein Stachelrochen jemanden mit einem Stich ins Herz zu Tode gebracht hätte. Genau das ist Irwin passiert. Das stachelbewehrte Ende des Rochenschwanzes – man erzählte mir, dass Rochen über ihre Schwänze mit derart unseliger Kontrollgewalt und Präzision gebieten, dass sie sogar winzig kleine Fischlein damit töten können – ging glatt zwischen seinen Rippen hindurch in die linke Herzkammer. Irwin stand auf, zog den Schwanz heraus und starb. Es gab Aufnahmen davon, aber seine Familie hat sie vernichtet. In den darauffolgenden Wochen haben Australier Rochen in Küstengewässern abgeschlachtet. Polizei und Strandgutsammler stießen wiederholt auf zerfleischte Kadaver. Michael Hornby, der Leiter von Irwins Stiftung Wildlife Warrior, veröffentlichte eine Erklärung, in der diese Taten verurteilt wurden. Die Stiftung akzeptiere »keinerlei Vergeltungsmaßnahmen gegen die Rochen« und werde sich für niemanden einsetzen, »der solche ergriffen« habe.
Auf der Welt passieren permanent die verrücktesten Dinge. Wahrscheinlich muss alles irgendwann zum ersten Mal passieren. Genau das werden Sie über die Irwin-Geschichte auch schon gedacht haben. Dreihundert Jahre lang gab es keinen derartigen Vorfall; wenn wir jetzt noch mal dreihundert Jahre schaffen, ist alles wieder in Ordnung. Also: Schnorchel frei!
Wir schafften jedoch nur sechs Wochen. Am 19. Oktober 2006 befand sich ein Mann namens James Bertakis mit einer
Freundin der Familie vor der Küste von Boca Raton auf einer Bootstour, als ein riesiger Stachelrochen aus dem Wasser sprang und in seinem Schoß landete. Es ist wichtig, sich das korrekt vorzustellen. Das Tier sprang ihm wirklich auf den Schoß, während Bertakis mit leeren Händen – er hielt keine Angel – aufrecht da saß. Der Rochen landete so, dass er Bertakis direkt in die Augen blickte. Die Familienfreundin hat die Szene en détail geschildert. Bertakis und der Rochen starrten sich an, und das Tier ließ seinen Schwanz spielen. Und dann – zack. Über den Tierkörper hinweg, direkt in Bertakis' Herzmuskel, das Herzfleisch, zentimetertief.
Reporter erkundigten sich umgehend bei den international renommierten Meeresbiologen von der Universität Miami, ob es zwischen beiden Fällen möglicherweise einen Zusammenhang gebe, aber Dr. Bob Cowen, der von der Fakultät als Sprecher vorgeschickt wurde, erwiderte, er könne sich »keinerlei Zusammenhang vorstellen«, bei den Angriffen handele es sich »lediglich um zwei wirklich ungewöhnliche Vorfälle«.
»Was nicht stimmt«, sagte Livengood.
Wir hatten uns inzwischen hingesetzt. Gerade hatte ich ihm dieses abwiegelnde Zitat nebst einigen weiteren vorgelesen, um ihn – höflich, wie ich hoffte – damit zu konfrontieren, dass die meisten seiner dem sogenannten Mainstream zugerechneten Kollegen die Position vertraten, dass das, was wie ein weltweiter evolutionärer Schub im Verhalten der Tiere wirkte, eigentlich nur auf eine Zunahme der medialen Aufmerksamkeit zurückzuführen sei. Oder dass es sich um eine lose Kette von Zufällen handelte, die nun im Internet zusammengestrickt wurden. Oder dass wir es, das war die freundlichste Interpretation, schlicht mit einer Folge der zunehmenden Häufigkeit von Begegnungen zwischen einzelnen Menschen und nicht domestizierten Tieren zu tun hatten, schließlich vergrößern wir unseren Lebensraum, weshalb die Tiere immer ver
zweifelter nach Nahrungsquellen suchen und sich weiter aus ihren angestammten Habitaten herauswagen.
»Was meinen Sie mit ›Was nicht stimmt‹?«, fragte ich.
»Dass es sich nicht um ungewöhnliche Vorfälle handelt.«
Ich ging natürlich davon aus, dass er andere Schwanz-ins-Herz-Attacken von Rochen meinte, und wollte ihn gerade um entsprechende Daten bitten.
»Rochen?«, sagte er. »Nein. Zumindest wissen wir von keinen weiteren Beispielen. Aber der ganze Rest . . .« Er legte den Kopf leicht in den Nacken und blickte in eine der Zimmerecken, als ob ich ihn gebeten hätte, für ein Foto zu posieren. Dann sprang er auf die Füße.
»Wollen Sie unseren Ordner sehen?«, fragte
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