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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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Waden
implantat. Vor ein paar Monaten habe ich mal in eine der neuen Sendungen reingeschaut, The Rebel Billionnaire von Richard Branson, und sah plötzlich einem meiner ältesten Jugendfreunde dabei zu, wie er auf einem Heißluftballon mit Sir Richard, diesem wirren, wispernden Finanz-Faun, Tee trank und Sachen sagte, die ich ihn noch nie hatte sagen hören, die ich allerdings hundertfach von anderen kannte. Sachen wie: »Warum sollte man sich um die Zukunft sorgen, wenn man heute eine solche Erfahrung machen kann?«, immer im gleichen Tonfall. Lag da ein ironisches Lächeln auf seinem Gesicht, als er das sagte? Man weiß es nicht.
    Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem die Leute, die für die Shows gecastet wurden, größtenteils selbst begeisterte Zuschauer solcher Shows waren. Leute, besonders jüngere, die von diesen Shows geprägt worden waren. Irgendwo ganz weit unten im Bewusstsein war ein Schalter umgelegt worden. Wenn man sich heutzutage eine Realityshow ansieht, dann beobachtet man keine Menschen, die in ein künstliches Szenario geworfen und dabei gefilmt werden, sondern Menschen, die dabei gefilmt werden, Teilnehmer einer Realityshow zu sein. Das ist der eigentliche Plot aller Realityshows, ganz egal, welches ausgedachte Thema darübergestülpt wird.
    Und jetzt zu dem, was so verblüffend ist an diesem Wandel hin zu einem neuen Bewusstsein der eigenen Teilhabe an der Künstlichkeit des Ganzen: Er machte das Ganze realer. Denn natürlich sind diese Leute genau das: Menschen in Realityshows. Angenommen, Sie kommen in mein Büro und filmen mich dabei, wie ich meine Arbeit erledige (ich habe keine, aber das macht dieses Gedankenexperiment nur noch schlüssiger). Was Sie sehen, ist nicht, wie es wäre, mich dabei zu beobachten, wie ich meine Arbeit erledige, denn Sie stehen ja da und beobachten mich (die Heisenbergsche Unschärferelation und so). Und noch ein Schritt: Was wäre, wenn meine Arbeit darin bestünde, in einer Realityshow zu sein, gefilmt zu werden,
mich von Ihnen beobachten zu lassen, und immer so weiter? Was, wenn genau das meine Realität wäre, Freunde? Platzt euch schon der Schädel?
    Das ist der Punkt, an dem sich unsere Gesellschaft befindet. Und nicht nur das. Nein, die andere spannende Entwicklung der letzten paar Jahre ist die Beschleunigung eines sich selbst verstärkenden Systems, das mit Reality- TV entstanden ist. Weil in der Bevölkerungsgruppe, aus der sich die Teilnehmerfelder der Realityshows zusammensetzen, mittlerweile fast alle diese Shows durchschauen und folglich wissen, dass man dabei mit einiger Sicherheit gedemütigt und unwiderruflich kompromittiert wird, ist es für die Produzenten und Casting-Direktoren, die schon immer Kandidaten aussortieren mussten, die sich ihrer selbst zu sehr bewusst waren und vor einer Kamera dazu neigten, sich zu verspannen und »würdevoll« zu agieren, zunehmend schwer geworden, überhaupt noch »spontane« Personen aufzutreiben, also solche, die »gar nicht anders können, als sie selbst zu sein«, wie es der Miz anerkennend beschreibt.
    Die Auswirkungen dieser Entwicklung – die Tatsache, dass Casting-Direktoren immer verrücktere Entscheidungen treffen müssen, was wiederum, wenn die Sendungen gelaufen sind und das Land beeinflusst haben, eine noch krassere Besetzungsdemografie zur Folge hat, weil ganz tief gegraben werden muss, um überhaupt jemanden zu finden, der sich auch nur in die Nähe einer Realityshow wagt – waren jahrelang kaum wahrnehmbar. Doch mittlerweile . . . Haben Sie in letzter Zeit mal den Fernseher angemacht? Es sieht so aus, als würden die jetzt betreute Wohngruppen direkt ins Studio karren. So real und echt ist das alles geworden. Niemand schauspielert mehr. Beziehungsweise: Klar schauspielern sie, aber es gibt den Moment nicht mehr, in dem sie nicht schauspielern.
    Viele hassen diese Sendungen, doch dieser Hass riecht nach Verleugnung. Die alten Fratzen Amerikas, hier sind sie alle,
Whitmans und Poes Retortenbabys, starre Blicke, die keine Zweifel kennen, aufgerissene Mäuler, aus denen sich spektakuläre Phrasenfontänen ergießen, undurchdringlich in ihrer Selbstrechtfertigung, dunkle gemurmelte Gebete, Gott möge sie vernichten, die Wichser, die ihnen ans Geld wollen, an ihr Bares, und immer allwissend, immer predigend. Bizarre Formulierungen, die eigentlich kein Mensch verwendet, nur dass sie jetzt jeder verwendet. Immer gibt es irgendwelche »Ziele«, die man sich stecken muss. Und wenn jemand unsere

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