Pulphead
meinem Notizblock und meiner Meinung und meiner fragwürdigen, wenn auch aufrichten Behauptung, ich sei ein »Hardcore-Fan« von MTV s The Real World und ihren diversen Spin-Offs (deren vermutlich bekanntester und beliebtester Teilnehmer der Miz ist). Und obwohl diese Clubauftritte normalerweise cool laufen würden und der Laden so richtig brummte, könne es auch mal passieren, dass nur acht Leute kommen, ganz finster. Was, wenn heute so ein Tag wäre, und dann steht das alles in irgendeinem Magazin? Das wäre ein Fiasko. Oder wie der Miz sagen würde – tatsächlich hat er es sogar bei anderer Gelegenheit genauso in besagtem Tagebuch geschrieben – ein Fiasklo .
Er hätte unbesorgt sein können. Der Laden füllte sich so schnell, als würden die Leute reisebusweise angekarrt. Es war wie bei diesen asiatischen Nudeln, die explodieren, wenn man sie ins heiße Öl wirft. Ich ging in aller Ruhe aufs Klo, und als ich zurückkam, war kaum noch genügend Platz, um ein Getränk zum Mund zu führen. Und wie der Laden brummte. Er war voll mit Mädchen von der Sorte, die ihre Brüste und Ärsche zeigen, wenn Typen sie darum bitten, ihre Brüste und Ärsche zu zeigen. Eine junge Dame – ein bildhübsches indisches Mädchen, das nicht älter als neunzehn gewesen sein kann (ich wollte die Polizei rufen und sie nach Hause fahren lassen) – bat um eine Unterschrift auf ihrer rechten Brust. Jemand reichte dem Miz einen dicken Filzstift. Ich muss sagen, dass er bemerkenswert konzentriert unterschrieb. Ein anderes Mädchen – sie arbeitete in einer nicht gerade nahen Stadt bei Hoo
ters, um Geld für ihr Studium zu sparen – war den ganzen Weg allein hergefahren.
»Ich bin nur hier, um den Miz zu sehen«, sagte sie, aber die Leute standen schon Schlange, um mit ihm zu reden, Frauen und Männer, und da sie gesehen hatte, dass der Miz und ich uns kannten, hing sie eine Weile mit mir ab.
»Bist du ein Fan der Show?«, fragte ich sie.
»Klar«, sagte sie. » MJ habe ich hier auch schon gesehen, und Cameran [zwei aktuelle Real World -Lieblinge]. Eine ganze Menge Real World -Leute kommen hier vorbei.«
»Ich schaue das seit der Highschool«, sagte ich.
»Echt? Ich auch«, sagte sie.
»Seit der Highschool« hieß in meinem Fall: seit es die Show gab. Für sie bedeutete es: seit der letzten Staffel, worauf mir traurigerweise klar wurde, was für ein Poser sie war. Konnte sie sich überhaupt an die Staffel mit dem Miz erinnern? Wahrscheinlich kannte sie ihn nur aus der Gameshow The Real World/Road Rules Challenge , die – obwohl er darin großartige Auftritte hat – nicht die beste Sendung ist, um zu begreifen, was den Miz zu einer so unglaublichen Spaßmaschine macht.
Andererseits war die junge Dame offenbar eine Veteranin der Clubauftritt-Szene, und ich war heute zum ersten Mal dabei. Hätte sich nicht in genau dieser Sekunde eine Lücke im Tussenspalier aufgetan, die direkt zum Miz führte, und wäre sie nicht folglich direkt auf ihn zu gehechtet, dann hätte ich sie gefragt: »Worum geht es hier eigentlich?« Sie gehörte einer Welt an, die ich bislang nur vom Hörensagen kannte und die ich mir ansehen wollte: jene ökonomische Blase, die sich rings um The Real World und den weit weniger unterhaltsamen Mutantenzwilling Road Rules (im Grunde Real World im Wohnmobil) gebildet hatte.
Ich weiß nicht, wie sehr Sie gewillt sind, sich Ihre Vertrautheit mit der Show und dem Drumherum einzugestehen, deshalb will ich kurz mal so tun, als müsste ich tatsächlich er
klären, worum es hier geht. Am Ende jeder Real World -Staffel werden die Ensemblemitglieder, die sich während der Ausstrahlung als »beliebt« herausgestellt haben (die also entweder besonders gutaussehend, besonders grundamerikanisch-sympathisch oder besonders krass verhaltensauffällig sind), in eine Schattenwelt jenseits des Rampenlichts der Serie selbst geladen. Diese Schattenwelt besteht aus etlichen Kammern: Club-Auftritte (wie heute in Chapel Hill), Spring Break (im Grunde eine hochgetunte und verlängerte Version des einfachen Club-Auftritts: einige vollgepackte Tage wildester Feierei in den Bars und Clubs irgendeines Badeorts), »Vortragstermine« (an Colleges, vor Jugendgruppen, in Nichtrauchervereinen und so weiter – hierfür ist es besonders vorteilhaft, wenn man in der Sendung selbst ein persönliches Bekenntnis abgelegt hat, Schwulsein, Alkoholismus, Bulimie, Unzufriedenheit mit Brustimplantaten, beängstigende cholerische Anfälle, emotionale
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