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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Tom noch mehr.
    »Ich wollte, Alice wäre noch da«, sagte Jordan. »Sie würde dir die ganze Sache ausreden.«
    »Das würde sie nicht«, sagte Clay. Trotzdem wünschte er sich von ganzem Herzen, Alice hätte ihre Chance dazu haben können, es zu versuchen. Er wünschte sich von ganzen Herzen, Alice hätte in vieler Beziehung ihre Chance haben können. Fünfzehn war kein Alter, um zu sterben.
    »Dein jetziger Plan erinnert mich an den vierten Akt von Julius Cäsar«, sagte Tom. »Im fünften Akt stürzen sich alle in ihre Schwerter.« Sie schlängelten sich jetzt zwischen den stehen gelassenen Autos hindurch, mit denen die Pond Street verstopft war (und kletterten teilweise über die Autos hinweg). Die Notbeleuchtung des Rathauses blieb allmählich hinter ihnen zurück. Vor sich hatten sie die erloschene Verkehrsampel, die die Stadtmitte bezeichnete. Sie schaukelte in der leichten Brise.
    »Sei kein so gottverdammter Pessimist«, sagte Clay. Er hatte sich vorgenommen, nicht ärgerlich zu werden - so würde er nicht Abschied von seinen Freunden nehmen, wenn er es irgendwie vermeiden konnte -, aber sein Entschluss wurde auf eine harte Probe gestellt.
    »Sorry, ich bin zu müde, um irgendwen aufzumuntern«, sagte Tom. Er blieb neben einem Wegweiser stehen, auf dem JCT RT 11 2 MI stand. »Und - darf ich's offen sagen? - zu todunglücklich, weil ich dich verlieren soll.«
    »Tom, tut mir Leid.«
    »Wenn ich denken würde, dass die Chancen eins zu fünf stehen, dass es für dich ein Happyend geben könnte ... Teufel, eins zu fünfzig ... ach, schon gut.« Tom richtete seine Taschenlampe auf Jordan. »Was ist mir dir? Irgendwelche abschließenden Argumente gegen diesen Wahnsinn?«
    Jordan überlegte, dann schüttelte er bedächtig den Kopf. »Der Rektor hat mir mal was gesagt«, murmelte er. »Willst du's hören?«
    Tom deutete mit seiner Lampe einen ironischen kleinen Salut an. Der Lichtstrahl huschte über das Vordach des Filmtheaters Ioka, das den neuen Tom-Hanks-Film gezeigt hatte, und die Apotheke daneben hinweg. »Bitte sehr.«
    »Er hat gesagt: ›Der Verstand kann planen, aber der Geist hat Sehnsucht, und das Herz weiß, was das Herz weiß.‹«
    »Amen«, sagte Clay. Er sagte das ganz leise.
    Sie folgten der Market Street, die auch die Route 19-A war, zwei Meilen weit nach Osten. Nach der ersten Meile hörten die Gehsteige auf, und das Farmland begann. Am Ende der zweiten standen ein erloschenes rotes Stopplicht und ein Straßenschild, das die Kreuzung mit der Route 11 bezeichnete. An der Kreuzung saßen drei Gestalten, die bis zum Hals in Schlafsäcke eingemummt waren. Eine davon erkannte Clay wieder, sobald er den Taschenlampenstrahl auf sie richtete: ein ältlicher Mann mit langem, intelligentem Gesicht und ergrauendem Haar, das er zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst trug. Auch die Mütze der Miami Dol-phins, die der zweite Mann trug, kam ihm bekannt vor. Dann beleuchtete Tom die Frau, die neben Mr. Pferdeschwanz saß, und sagte: »Ihr!«
    Clay konnte nicht beurteilen, ob sie ein Harley-Davidson-T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln trug, dazu war der Schlafsack zu weit hochgezogen, aber er wusste, dass sich andernfalls in einem der Rucksäcke, die unter dem Straßenschild aufgestapelt lagen, eines befinden würde. Genauso wie er wusste, dass sie schwanger war. Von diesen drei hatte er zwei Nächte vor Alice' Ermordung im Motel Whispering Pines geträumt. In seinem Traum hatten auch sie im Scheinwerferlicht auf den Podesten auf dem langen Spielfeld gestanden.
    Der Grauhaarige stand auf und ließ dabei den Schlafsack seinen Körper entlang nach unten gleiten. Bei ihrem Gepäck lagen auch Schusswaffen, aber er hob die Hände, um zu zeigen, dass sie leer waren. Die Frau folgte seinem Beispiel, und als ihr Schlafsack herabglitt, stand ihre Schwangerschaft außer Zweifel. Auch der große, etwa vierzig Jahre alte Kerl mit der Dolphins-Mütze hob die Hände. So standen die drei einige Sekunden lang im Licht der Stablampen, dann zog der Grauhaarige eine Brille mit schwarzer Fassung aus der Brusttasche seines verknitterten Hemds und setzte sie auf. In der frostigen Nachtluft bildete sein Atem weiße Wölkchen, die zu dem Schild an der Route 11 aufstiegen, auf dem Pfeile nach Westen und Norden wiesen.
    »So, so«, sagte er. »Der Präsident von Harvard hat gesagt, ihr würdet vermutlich hier vorbeikommen, und da seid ihr schon. Cleverer Bursche, der Präsident von Harvard, auch wenn er ein bisschen zu jung für diesen

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