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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sich zu behalten.
    Die Zeit verging so langsam wie im Gänseschritt. Die kleine rote Leuchte auf dem Fallschirmsprungturm blinkte. Pachelbel wich wieder Faure und Faure Vivaldi. Clay erinnerte sich ohne bestimmten Grund an den schlafenden Jungen, der aus dem Einkaufswagen gekippt war, wie der Mann, der ihn geschoben hatte -vermutlich nicht sein Vater-, sich mit ihm an den Straßenrand gesetzt und gesagt hatte: Gregory pustet jetzt drauf, dann ist gleich wieder alles gut. Er erinnerte sich daran, wie der Mann mit dem Rucksack sich den »Baby Elephant Walk« angehört und Dodge hat sich auch gut amüsiert gesagt hatte. Er erinnerte sich an die Bingozelte seiner Kindheit und wie der Mann mit dem Mikrofon unweigerlich Es ist das Sonnenschein-Vitamin! ausgerufen hatte, wenn er die B-12 aus der Trommel mit den hüpfenden Tischtennisbällen gezogen hatte.
    Die Zeit schien jetzt nur noch millimeterweise zu verstreichen, und Clay gab langsam die Hoffnung auf. Eigentlich hätten sie das Motorengeräusch des Busses inzwischen längst hören müssen.
    »Irgendwas ist schief gegangen«, sagte Tom bedrückt.
    »Vielleicht auch nicht«, sagte Clay. Er bemühte sich, aus seiner Stimme herauszuhalten, wie tief sein Mut gesunken war.
    »Nein, Tommy hat Recht«, sagte Denise. Sie war den Tränen nahe. »Ich liebe ihn wie mein Leben, und er war tapferer als Fürst Satan in seiner ersten Nacht in der Hölle, aber irgendwie müsste er längst unterwegs sein.«
    Dans Standpunkt war überraschend positiv. »Wir wissen nicht, was ihm alles begegnet ist. Atmet tief durch, und versucht, eure Fantasie nicht mit euch durchgehen zu lassen.«
    Clay bemühte sich darum, aber es gelang ihm nicht. Jetzt verstrichen selbst die Sekunden quälend langsam. Aus den riesigen Konzertlautsprechern dröhnte Schuberts »Ave Maria«. Ich würde meine Seele für etwas ehrlichen Rock 'n' Roll verkaufen, dachte er. Chuck Berry mit »Carol«, U2 mit »When Love Comes to Town« ...
    Draußen nichts als Dunkelheit und Sterne und jene eine winzige batteriebetriebene rote Leuchte.
    »Heb mich da drüben mal hoch«, sagte Tom und sprang von dem umgestürzten Automaten. »Ich zwänge mich irgendwie durchs Fenster und sehe zu, ob ich ihn finden kann.«
    »Tom, wenn ich mich in Bezug auf den Sprengstoff im Bus geirrt habe ...«, begann Clay.
    »Scheiß auf den Bus, scheiß auf den Sprengstoff!«, sagte Tom verstört. »Ich will nur Jor...«
    »He!«, brüllte Dan, und dann: »He, alles klar! AUF GEHT'S!« Er hämmerte mit der Faust an die Mauer neben dem Fenster.
    Clay drehte sich um und sah Scheinwerfer, die im Dunkel erblüht waren. Aus den komatösen Leibern, die das ausgedehnte Freigelände bedeckten, stieg leichter Nebel auf, sodass die Busscheinwerfer wie durch Rauch leuchteten. Sie wurden aufgeblendet, dann abgeblendet, dann wieder aufgeblendet, und Clay glaubte, Jordan ganz deutlich vor sich zu sehen, wie er am Steuer des kleinen Busses sitzend herauszubekommen versuchte, welche Knöpfe und Schalter was bewirkten.
    Jetzt begannen die Scheinwerfer voranzukriechen. Aufgeblendet.
    »Genau, Schatz«, flüsterte Denise. »Tu's, mein Liebling.« Auf ihrer Kiste stehend, ergriff sie Dans Linke und Clays Rechte. »Schön machst du das! Weiter so!«
    Die Scheinwerfer schwenkten von ihnen weg und beleuchteten jetzt die Bäume weit links der mit schlafenden Phonern bedeckten Freifläche.
    »Was tut er da?«, ächzte Tom.
    »Da ragt eine Seite der Geisterbahn etwas weiter vor«, sagte Clay. »Das ist okay.« Er zögerte. »Glaube ich wenigstens.« Falls sein Fuß nicht ausrutscht. Falls er nicht Bremse und Gas verwechselt und die gottverdammte Geisterbahn so rammt, dass der Bus dann festsitzt.
    Sie warteten, und die Busscheinwerfer schwenkten wieder zurück und strahlten die Seite der Kashwakamak-Halle exakt waagrecht an. Und das Fernlicht zeigte Clay nun auch, warum Jordan so lange gebraucht hatte. Nicht alle Phoner lagen nämlich in diesem komatösen Schlaf. Dutzende - die wahrscheinlich mit fehlerhafter Programmierung - waren auf den Beinen und bewegten sich. Sie irrten in allen Himmelsrichtungen ziellos umher: schwarze Silhouetten, die sich in größer werdenden Kreisen aus der Mitte des Schwarms entfernten, Mühe hatten, über die ausgestreckten Körper der Schläfer hinwegzukommen, stolperten, stürzten, sich aufrappelten und weiterirrten, während Schuberts »Ave Maria« die Nacht erfüllte. Einer von ihnen, ein junger Mann mit einer breiten roten Schnittwunde, die

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